Mobile Work

Mein Smartphone, mein Leben

(c) Marin Golemino
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Das ist kein Tippfehler: Mobile, also auf dem Smartphone, zu arbeiten, ist die nächste Stufe des mobilen Arbeitens. Die Frage ist nur, ob wirklich alles sinnvoll ist.

Die einen tippen mit Zeige- oder Mittelfinger. Die anderen sind Daumentipper. Letztere, heißt es, sind prädestiniert dafür, auch beruflich das Handy zu ihrem Hauptwerkzeug zu machen.

Hier geht es um das berufliche Nutzen des Smartphones. Nicht in seiner Urfunktion als Kommunikationsmittel – Telefon, SMS, WhatsApp, Social Media, Skype und wie sie alle heißen. Sondern mit nicht kommunikativer, inhaltlicher Arbeit: lange Texte schreiben, komplexe Reports, To-do-Listen, Notizen, Präsentationen, Videos und vieles mehr.

Für Zweifler: Ja, das geht. Sogar Leitartikel entstanden schon am Smartphone. Längst gibt es im App-Store das beliebte Office-Paket und seine Alternativen. Finanzchefs schaufeln große Excel-Listen und gewichtige SAP-Kennzahlen ins kleine Handy (wenngleich sie die Tabellen lieber am Desktop erstellen und am Handy nur bearbeiten). Verkäufer schwärmen von Präsentationen, die sie im Zug aus in der Dropbox gespeicherten Bausteinen basteln. Beim Kunden stecken sie nur mehr das Smartphone an dessen Beamer an. Juristen loben die inzwischen hervorragende Spracherkennung und lassen das Handy für sie tippen. Evernote und One Note sind die digitalen Post-its, Adobe Scan der mobile Scanner und Cloud Print die Druckeranbindung. Und wer endlich in Büro oder Homeoffice ankommt, steckt sein Smartphone in die Dockingstation und arbeitet am großen Bildschirm weiter.

Trainierter Daumen für mobiles Arbeiten

Dass inhaltliches Arbeiten am Smartphone so gut funktioniert, ist drei Faktoren zu verdanken. Erstens, die Geräte haben heute eine Performance wie früher nur PCs und Laptops. Zweitens, Android und iOS pumpten eine ganze Armada an Business-Apps in den Markt. Und drittens (nicht lachen), in den vergangenen zehn Jahren gewann der menschliche Daumen an Beweglichkeit. Übung macht den Meister.

Warum Menschen auch zum Arbeiten zum Handy greifen, ist klar: Weil sie es lieben; weil es ihnen die Freiheit gibt, so zu leben, wie sie wollen. Hier kommt der Arbeitgeber ins Spiel. Laut einer eben veröffentlichten Studie der IWG Workspace-Beratung arbeiten 42 Prozent der Österreicher mindestens einen Tag pro Woche außerhalb ihres Büros. Das ist wenig, verglichen mit 70 Prozent weltweit. Arbeitgeber aus 96 Ländern berichten ausnahmslos über positive Effekte flexibler Arbeit, im Hinblick auf Geschäftswachstum (89 Prozent), Wettbewerbsfähigkeit (87 Prozent), Profitabilität (83 Prozent), Produktivität (82 Prozent) sowie das Anwerben und Halten von Spitzenkräften (80 Prozent).

Je kleiner, desto besser

Natürlich gibt es Bedenken gegen die Handyarbeit, vor allem wegen des kleinen Bildschirms. Lukas Zenk, Professor für Innovations- und Netzwerkforschung an der Donau-Uni Krems, hält mit einer Studie dagegen. 36 von 40 Princeton-Studenten (90 Prozent) unterlief beim Lesen eines Textes in normaler Schriftgröße mindestens ein Fehler. Aber nur 14 von ihnen (35 Prozent) irrten sich bei extra kleiner, gerade noch lesbarer Schrift. Die größere Anstrengung mobilisierte im Gehirn das besonnene, logische, jedoch langsame „System 2“ (vgl. Daniel Kahnemann: „Schnelles Denken, langsames Denken“). Die normale Schrift hingegen aktivierte das schnelle, instinktive und emotionale „System 1“. Zu lange sollte man aber nicht am Handy arbeiten, meint Zenk und verweist auf Haltungsschäden und kognitive Überlastung durch ständiges Multitasking.

Arbeits- und Organisationspsychologie-Professor Christian Korunka von der Uni Wien sieht noch eine Facette: die Spielregeln zwischen Chef und Mitarbeiter zur Smartphone-Arbeit. Übertreibt Ersterer, bockt Zweiterer. Und „verliert“ schlimmstenfalls sein Firmenhandy in der Alten Donau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2018)

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