Wenn Mitarbeiter beim AMS „parken“

In der Baubranche kommt es witterungsbedingt oft zu befristeten Kündigungen.
In der Baubranche kommt es witterungsbedingt oft zu befristeten Kündigungen.(c) Michaela Bruckberger
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Kündigungen mit Wiedereinstellungszusage haben hierzulande Tradition. Laut Wifo-Berechnungen im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich kosten sie 430 Mio. Euro.

Wien. Das Thema ist schon ziemlich in die Jahre gekommen. Allerlei Arbeits- und Wirtschaftsminister haben sich dazu geäußert. Es gab auch etliche Gipfelgespräche. Und doch: Gelöst wurde das Problem nie. Also feiert der Brauch, wonach Betriebe in auftragsschwachen Zeiten Mitarbeiter kündigen, diese aber wenige Monate später wieder einstellen, fröhliche Urständ.

Die Arbeiterkammer greift dieses Thema traditionell gern auf. 2015, beispielsweise, kritisierte der damalige Arbeiterkammer-Präsident, Rudolf Kaske, den von Unternehmen begangenen Sozialmissbrauch. „Die Firmen parken ihre Arbeitnehmer beim AMS“, sagte Kaske damals. Und: „Die Parkgebühr zahlen wir alle.“ Trotzdem konnte man sich immer noch nicht auf Gegenmaßnahmen einigen.

Also preschte die Arbeiterkammer Oberösterreich am Sonntag wieder vor. Sie beauftragte das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, Zahlen zu liefern. Und diese sind nicht gerade erbaulich: Laut der Wifo-Studie hat das „Zwischenparken“ von Beschäftigten beim AMS mittlerweile in vielen Branchen System. Arbeitsverhältnisse würden kurzfristig beendet, und nach einigen Wochen oder Monaten würden Personen bei demselben Arbeitgeber wieder eingestellt. In der Zwischenzeit beziehen die Betroffenen Arbeitslosengeld – wenngleich dies deutlich niedriger ist als im Normalfall. Trotzdem kostet diese Praxis laut Wifo jährlich rund 430 Mio. Euro. In dem Betrag sind allerdings die vom AMS zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge während der Arbeitslosigkeit noch nicht berücksichtigt.

Bauwirtschaft, Tourismus

In welchen Branchen gibt es besonders häufig befristete Kündigungen? Traditionell sind dies der Tourismus, die Bauwirtschaft sowie die Arbeitskräfteüberlassung. Wegen der Witterungsverhältnisse greifen etwa Bauunternehmen gern zu dieser Maßnahme. Im Tourismus werden damit Zeiten zwischen Schulferien überbrückt – auch bei den Skischulen.

Laut AK OÖ sei das „Parken“ von Beschäftigten beim AMS aber mittlerweile in sämtlichen Wirtschaftsbereichen gang und gäbe. Da gehe es darum, den Personalstand an diverse Auslastungsschwankungen anzupassen. Befristete Kündigungen gebe es somit in den Bereichen Verkehr und Lagerei, Kunst, Unterhaltung und Erholung, Grundstücks- und Wohnungswesen sowie Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung.

Laut Studie verursachen Betriebe mit dieser Praxis einen Prozentpunkt der Arbeitslosenquote beziehungsweise ein Achtel der Gesamtarbeitslosigkeit. In Österreich betrug die Arbeitslosenrate zuletzt 6,9 Prozent – nach nationaler Definition. Die von Eurostat berechnete Quote beträgt 4,7 Prozent. Im Jänner allerdings ist die Arbeitslosenquote traditionell höher – eben auch wegen der befristeten Kündigungen. Da erreichte sie in Österreich den Wert von 9,5 Prozent.

Und: In Österreich gab es 2017 rund 1,96 Millionen neue Beschäftigungsaufnahmen. Davon waren allerdings 14 Prozent (rund 270.000) bloß Wiedereinstellungen nach Abmeldungen bei demselben Arbeitgeber.

Unterschiedliche Beiträge?

Also was dagegen tun? Die Studienautoren weisen auf die Möglichkeit eines sogenannten Experience Ratings hin. Heißt: Die Beitragslast der Betriebe für das Arbeitslosenversicherungssystem wird dem Risiko entsprechend gestaltet. Die Finanzierungsbeiträge der Arbeitgeber würden damit von ihrem Kündigungsverhalten abhängen. Betriebe würden also stärker selbst für die von ihnen mitverursachten Kosten aufkommen. Im Gegenzug könnten jene Betriebe, die weniger Kosten verursachen, entlastet werden.

In den USA würde so ein System schon länger bestehen – und dort seien die Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Sozialversicherungsausgaben reduziert worden.

Laut einer Wifo-Studie vom vergangenen Jahr bleiben Gekündigte mit Wiedereinstellungszusage im Schnitt zwei Monate arbeitslos. Weniger als zehn Prozent der Betroffenen suchen sich während dieser Zeit einen anderen Job. Auch das AMS bestätigte damals übrigens, dass vorübergehende Kündigungen auch in Branchen zunehmen würden, die nicht wetter- oder saisonabhängig sind. Es gehe um das Überbrücken von Auslastungsproblemen. (kor.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2018)

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