Karriere mit Grün

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Einblick in einen Hanf-Laden und in das Geschäft mit Cannabidiol (CBD).

Wer durch Wien spaziert, kann sich kaum des Eindruckes erwehren, dass Hanf-Läden und Grow-Shops wie Pilze aus dem Boden sprießen. Beispielsweise in der Apostelgasse im dritten Bezirk. Da ragen brusthohe Hanfpflanzen in die Höhe. Sie stehen in Töpfen auf offener Straße vor einem Geschäft, aus dem ein erdig-süßlicher Geruch dringt. Wer eintritt, findet sich in einem hellen Raum wieder, beschallt von sanfter Musik. Die Handelswaren von Hundefutter über Hanfkekse bis Cannabidiol-Kräuter sind fein säuberlich auf einem Holzregal und in einer Glastheke angeordnet. Hinter der Theke begrüßt einen der Unternehmer – es wird gesiezt – und wartet mit einer umfangreichen Beratung auf.

Rund zwei Dutzend Hanf-Läden in Wien

Die Wirtschaftskammer Wien (WKW) gibt an, dass derzeit rund 25 Hanf-Läden in der Bundeshauptstadt aktiv sind. Auf den ersten Blick ist die genaue Zahl nicht ermittelbar, denn die Unternehmen fallen zwar in die Sparte Handel, sind dort aber in die verschiedensten Gremien aufgeteilt. „Einzelhandel mit Mode, Agrarhandel, Lebensmittelhandel oder auch Handel mit Rauchbedarf“, heißt es aus der WKW. Ende September eröffnet im Bezirk Neubau ein großer CBD-Shop. Ab September soll es auch Brownies mit dem Cannabis-Wirkstoff CBD in jeder Aida-Konditorei geben, denn man "will mit der Zeit gehen" ("Die Presse" berichtete). Im Bezirk Neubau stellt der Allgemeinmediziner Kurt Blaas Schmerzpatienten Cannabinoide auf Rezept aus, er wird darüber referieren auf der cultiva Hanfmesse, die Mitte Oktober in Vösendorf bei Wien stattfindet.

Blaas ist einer der Ärzte der am längsten schon Cannabinoide in der Schmerztherapie einsetzt, er ist jedoch nicht der einzige. Der Referent der Wiener Ärztekammer für Substitution und Drogentherapie, Reinhard Dörflinger, nennt Cannabinoide in der Schmerztherapie derzeit eine "Nischengeschichte". Zum einen durch administrative Schwierigkeiten bei der Verschreibung, so müssen etwa bestimmte Indikationen zutreffen wie eine Chemotherapie, Gewichtsverlust oder neurologische Erkrankungen. Die beiden Medikamente, die derzeit zugelassen sind, werden von einem Hersteller produziert und sind sehr teuer: 300 bis 400 Euro für den Monatsbedarf. Da die Haltung der Sozialversicherung sehr restriktiv ist, wird das Medikament nur selten von der Krankenkassa bezahlt.

Keine berauschende Wirkung - und teils gar keine

Außerdem würde gar nicht immer der Schmerz gestillt werden. Oft wirken die Medikamente nicht bei körperlichen Problemen wie etwa chronischen Rückenschmerzen oder Gelenkschmerzen. Bei Schlafstörungen würden sie wirken, da übernehme die Versicherung jedoch die Kosten nicht. Bei Einnahme der Substanzen tritt kein Rausch auf, man könne die Cannabinoide in ihrer Wirkung mit Schlafmitteln vergleichen. "Die Gefahr des Missbrauchs ist gering", sagt Dörflinger. Seit eineinhalb Jahren würde die medizinische Wirksamkeit der Cannabinoide immer wieder diskutiert, so gibt es nun sogar einen Lehrgang (cannabinoide.at), um den Teilnehmern einen Überblick über die möglichen therapeutischen Anwendungsbereiche von Cannabinoiden zu verschaffen. Generell sei es allerdings noch eine "Nischengeschichte".

„Will die Welt verbessern“

Im anfangs beschriebenen Geschäft in der Apostelgasse werden CBD-Kräuter verkauft. Das ist legal, wenn der THC-Gehalt 0,3 Prozent nicht übersteigt. Geschäftsführer Claus Dippold, ein 41-jähriger Wiener, erklärt, was hinter den Begriffen steckt: Unser Körper hat ein Endo-Cannabinoid-System mit vielen Rezeptoren. An diese Rezeptoren docken die Wirkstoffe der Hanfpflanze, die Cannabinoide, an. „Einer dieser Wirkstoffe ist THC, das auf die Birne geht und wegen dem man dann ein Grinsen im Gesicht hat.“ Verantwortlich für den Rauschzustand sind also THC-Rezeptoren im Gehirn. Die sonstigen Rezeptoren befinden sich an anderen Stellen im Körper. „Die Hanfpflanze hat über hundert Cannabinoide und wegen diesem einem wird sie verteufelt“, sagt Dippold und seufzt. Ein Wirkstoff, Cannabidiol (CBD), sei besonders gesund. „Krampflösend, stresslindernd, gegen Schmerzen und entspannend“, zählt er die Vorzüge auf. Es fallen auch die Begriffe „körper-high“ und „body-stoned“. Im Gegensatz zu THC wirke CBD nicht berauschend. "Man wird nicht high davon", ist der Grundtenor von Dippold, anderen Medizinern und dem Pressesprecher von Aida. Der Gesetzgeber scheint dem Rechnung zu tragen, indem der Verkauf von CBD legal ist (für den Kauf braucht es kein Rezept).

Kraut, Öl und Cookies

Ein Gramm der CBD-Kräuter kostet im Geschäft rund 12 Euro. Ausgehändigt bekommt man es zusammen mit einer Rechnung.
Cannabidiol gibt es in verschiedenen Formen – als Kraut, als Cookie oder flüssig als Öl. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) schließt, dass zur konzentrierten Ölform derzeit "keine ausreichenden Untersuchungen zu möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit vorliegen". Kritiker bemängeln, dass viele dem Cannabidiol zugeschriebene positive Wirkungen bislang nicht wissenschaftlich bestätigt wurden. Unerwünschte Nebenwirkungen – außer Müdigkeit – gäbe es keine, sagt Dippold. "Oder dass eben gar keine Wirkung eintritt, auch keine schmerzbefreiende" ergänzt der Referent der Wiener Ärztekammer für Substitution und Drogentherapie, Dörflinger.

Dippold gibt sich von der positiven Wirkung des CBD überzeugt. Viele seiner Kunden bestätigten ihm, dass es ihnen nun besser gehe. Bei den vielen Hanf-Geschäftsgründungen mag das Bild von Glücksrittern im grünen Rausch entstehen, der Mann hinter der Theke sagt, er mache es für die Menschen. Über 20 Jahre hat er als Mechaniker gearbeitet, 2018 hat er dann sein CBD-Geschäft in Wien eröffnet. „Um die Welt zu verbessern“, sagt der Familienvater. Denn die Produkte würden den Menschen sehr helfen, seien "krampflösend, stresslindernd und entspannend". Wichtig war es Dippold auch, in aller Legalität zu arbeiten. Das sei bei seinem Produktangebot der Fall.

Er führt sein Geschäft alleine, hat rund 30 Stunden die Woche geöffnet. Genaugenommen ist er ein Franchisenehmer. Die Kette hat elf weitere Geschäfte in anderen österreichischen Bundesländern. Den Geschäftsführer kennt er persönlich, sowie manche Produzenten seiner Rauchwaren, des Tierfutters, der Kekse und Lutscher. Auch Textilien aus purer Hanffaser will er in Bälde verkaufen.

„Möchte nicht kriminalisiert werden“

Ein Schmerzpatient sitzt auf einem Stuhl etwas abseits der Theke. Ein festerer Mann Mitte 40. Er bestätigt den wohltuenden Effekt der CBD-Produkte, die körperliche Entspannung und krampflösende Wirkung. Er nimmt aber auch THC, wobei im Gegenzug zu CBD eine psychedelische Wirkung auftritt. „Ich leide an einer Lähmung“, sagt der Mann und legt ein Fläschchen mit Dronabinol-Tropfen auf den Tisch. Dronabinol ist THC als Reinsubstanz und kann als sogenannte magistrale Verschreibung, das heißt als individuelle Zubereitung des Arzneimittels direkt in der Apotheke, abgegeben werden. Jeder Arzt kann eine solche magistrale Zubereitung über ein Suchtgiftrezept anordnen. Neben dem Fläschchen faltet er eine Karte auf: Ein Suchtgiftausweis. Unterfertigt von Dr. Blaas.

„Meine Schmerzen werden durch diese Tropfen enorm gelindert. Ich möchte aber nicht kriminalisiert werden“, sagt der Mann. Eine Legalisierung täte not, meint er. Dem pflichtet auch Dippold bei: „Ich denke, viele Menschen könnten ihr Potential erst richtig entfalten, wenn sie sich nicht mehr zu verstecken brauchten.“ Dass in Österreich auch eine Verschärfung der Gesetze ein Thema ist, sieht er entspannt. Er glaube nicht, dass sich allzu schnell etwas ändere.

Fazit: Das entspannend wirkende Cannabinoid CBD ist legal und im Kommen. Traditionsgeschäfte bieten es bald als Cookie an, neue Läden werden eröffnet. Das psychedelisch wirkende Cannabinoid THC ist in Österreich ab einer gewissen Konzentration verboten und die Meinung der Mediziner zu diesem Inhaltsstoff ist keineswegs so geeint, als dass alle für eine Legalisierung plädieren würden. Denn das psychedelisch wirkende THC weise neben positiven auch negative Wirkungen auf. Während CBD entspannend wirke - oder auch gar nicht.

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