Die agile Klassengesellschaft

Petra Winkler
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Personalentwicklung. Sie hat es wieder getan. Bestsellerautorin Svenja Hofert hat ein neues Buch geschrieben. Es basiert auf ihrer Beobachtung, dass sich ein agiles Mindset nicht aufpfropfen lässt.

Svenja Hoferts Rezept ist immer dasselbe. Die schreibende Beraterin wittert ein Thema, pickt aus ihrem Psychologiefundus ein paar Modelle heraus, verknüpft sie und verkauft sie als neuen Trend. Dieser hier heißt „Das agile Mindset“. Unser Mindset bestimmt, wie wir etwas wahrnehmen, interpretieren und daraus Handlungen ableiten. Jeder geht dabei anders vor, für Hofert eine Sache der persönlichen Reife- und Entwicklungsstufe.

Um zu erklären, warum so viele Firmen beim „einfach agil werden“ scheitern, gräbt sie ein Modell der 2008 verstorbenen Entwicklungspsychologin Jane Loevinger aus. Diese teilte Menschen in acht aufeinander aufbauende Persönlichkeitsstufen ein. Zwei weitere fügten ihre Nachfolger dazu. Um agil zu werden, leitet Hofert ab, müsse man jeden Mitarbeiter auf der Stufe abholen, auf der er gerade steht.

Führungskräfte müssen jetzt ganz stark sein. So weit oben, wie sie denken, sind die wenigsten.

Altes Modell, neue Begriffe

Die ersten drei Stufen beschreiben die frühkindliche bis pubertäre Entwicklung (symbiotisch, impulsgesteuert und selbstorientiert – Letztere nennt Hofert die Stufe „Ego“.)

Ab Stufe vier, der zwölf Prozent der Erwachsenen angehören, finden sich Führungskräfte. Da sind sie noch gemeinschaftsorientiert-angepasst, sehen sich eher als Teil des Teams und gönnen sich selten den Luxus einer eigenen Meinung. Hofert nennt diese Stufe „Wir“.

Auf Stufe fünf stehen 38 Prozent der Erwachsenen. In Firmen sind das oft Fachexperten, die klare Regeln brauchen und alles richtig machen wollen (weshalb Hofert diese Stufe „Richtig“ nennt). Fünfer brennen für ihr Thema, sind wissensdurstig und lernwillig, aber noch nicht bereit, funktionsübergreifend zu denken – eine Vorbedingung für Agilität. Von allein erklimmen sie selten die nächste Ebene.

Auf Stufe sechs (bei Hofert Stufe „Effektiv“) stehen 30 Prozent der Erwachsenen. Es sind die Ehrgeizigen, die Zielorientierten, die Karriere machen und etwas erreichen wollen. Die frühen Sechser suchen Verwirklichung noch im Ich, die reifen im Wir. Im Unterschied zu den Fünfern planen sie langfristig. Sie kommen gut mit Kennzahlen zurecht und lieben vorgegebene Ziele und Konzepte, die ihnen Halt und Orientierung geben. Das ist ihre Schwäche: Eigene Gedanken haben sie noch selten.

Diese finden sich ab Stufe sieben (bei Hofert „Flexibel“) bzw. ab Stufe acht („Flexibel Plus“). Diese Führungskräfte haben Vision und Haltung, betrachten die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln, beziehen alle Stakeholder ein, führen umsichtig, geben und nehmen Feedback. Sie kennen die Regeln, beugen oder brechen sie aber bei gutem Grund. Stufe sieben sind die Relativierenden (zehn Prozent der Erwachsenen), Stufe acht die Systemischen (vier Prozent), Stufe neun die Integrierenden und Stufe zehn die „Fließenden“ (neun und zehn machen zusammen nur ein Prozent aus).

Klassenkampf

Selbst wenn das nicht gewollt ist: Menschen in Klassen einzuteilen ist immer eine Bewertung. Doch ähnlich wie beim IQ-Test heißt mehr nicht immer besser. Im Callcenter etwa braucht es keine Achter, da sind Vierer (Teamgedanke) und Fünfer (Regeln einhalten) die bessere Wahl.

Für die Personalentwicklung ist diese Klassifizierung laut Hofert der Schlüssel, die Truppe agil zu machen. Man muss nur jeden in seinem Mindset ansprechen. Die Vierer über ihre Teamtreue, die Fünfer über Regeln, die Sechser über Ziele und die Siebener aufwärts über den Sinn. Bleibt nur die Frage, ob die Mitarbeiter wissen sollen, dass sie klassifiziert wurden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2018)

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