Frauen: Was von der Euphorie übrig blieb

Sisyphus als Frau
Sisyphus als Frau(c) Marin Goleminov
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Gedanken zur Gleichstellung. Viel hat sich getan in den vergangenen 40 Jahren. Die Frauen wollten in der Wirtschaft nach oben, ganz nach oben. Nicht alles ist gelungen. Aber einiges.

Vergangene Woche, bei der Podiumsdiskussion „Mut, Macht und Quoten“: Es ging um die geringe Frauenzahl an der Spitze und darum, warum Frauen trotz aller Gleichstellungsmaßnahmen und trotz hervorragender Arbeit weniger Führungspositionen innehaben und weniger verdienen. Diskutantin Gundi Wentner, Partnerin von Deloitte Human Capital, auf die Frage, was denn das eigentliche Ziel der Frauen sei, wie aus der Pistole geschossen: „Fünfzig-fünfzig.“ Wie das aber realisiert werden solle, darauf wusste das Podium keine (neue) Antwort.

Kommende Woche findet in Wien das sechste Women Leadership Forum statt. Das Motto ähnelt dem obigen verblüffend: „Frau. Macht. Innovation“. Auch hier ein ernüchterndes Programm: Wenn unzählige Studien belegen, dass Unternehmen, die von gemischten Teams geführt werden, mehr disruptive Innovationen schaffen als rein männlich dominierte – warum gibt es dann so wenig halbe-halbe im Management?

Nüchterne Zwischenbilanz

Die Euphorie der 1980er-Jahre ist verflogen. Damals stürmte die erste zahlenmäßig starke Frauengeneration mit dem Abschluss in der Hand aus den Universitäten. Die Wirtschaft wollte sie erobern. Die erdrückende männliche Übermacht niederreißen. Eine bessere Welt schaffen, in der Frauen und Männer Yin-und-Yang-artig zusammenarbeiten.

Knapp 40 Jahre und ein paar Wirtschaftskrisen später ist von der Euphorie nicht mehr viel übrig geblieben. In der Ära Trump und anderer betont dominant auftretender Staatsmänner scheint fünfzig-fünfzig weit entfernt. Der Frauenanteil im Management liegt deutlich unter 20 Prozent und kommt auf den Wert nur dank gesetzlicher Quoten.

„Es liegt an den Rahmenbedingungen“, sagt Renate Altenhofer, die Organisatorin des Women Leadership Forums. Sie nennt drei Argumente, die immer wieder kommen. Die fehlenden Kinderbetreuungsplätze, die in der Großstadt doch gar nicht so wenige sind. Der Zugang zu Bildung, doch obwohl Frauen ihre Abschlüsse schneller, mit besseren Noten und inzwischen auch zahlenmäßig stärker schaffen, haben die Männer sie nach wenigen Berufsjahren abgehängt. Und das alte Ich-trau-mich-nicht-Argument: „Frauen müssen mutiger werden“, wünscht sich Altenhofer, „Chancen wahrnehmen, wenn sie ihnen geboten werden. Ein Mann greift sofort zu.“

Geht es den Frauen einfach nur zu langsam? In einer einzigen Generation wollen sie Zigtausende Jahre Menschheitsgeschichte umdrehen und sehen dabei nicht den weiten Weg, den diese Generation geschafft hat. In den 1970ern mussten Frauen noch eine Bestätigung ihres Ehemanns vorweisen, der ihnen erlaubte, arbeiten zu gehen. In den 1980ern bekamen sie kein alleiniges Sorgerecht für ihre nicht ehelichen Kinder. Und zwei Jahre Karenz waren illusorisch.

Neue Generation, neuer Anlauf

Vielleicht dauert ein echter Umbruch tatsächlich länger als eine Generation. Schauen wir also auf die Jungen, die viel beschriebenen Generationen Y und Z. Wenn es stimmt, was sie behaupten, definieren sie Karriere nicht mehr als Leiter und Erfolg nicht mehr als „Mein Haus, mein Auto, mein Pool“. Dann ist fünfzig-fünfzig bei den Top-Management-Jobs gar kein Ziel mehr für sie.

Falls doch, ist die Digitalisierung ihre ganz große Chance. In agilen Teams gibt es kein Oben/Unten, da zählt jeder gleich viel. Da führt ein weiblicher Scrum Master mit sprichwörtlich weiblicher Umsicht und Empathie. Wenn Frauen dann auch noch ihre Scheu vor Mint-Studien ablegen, erreichen sie über die Technik vielleicht das, was ihnen in der Wirtschaft (großteils, denn Leuchttürme gab es immer) versagt blieb. Dann sind Siri und Alexa nicht mehr die einzigen weiblichen Technologievorbilder. Und dafür lohnt es sich weiterzukämpfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2018)

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