Gastkommentar

Wie man Narzissten digital erkennt

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Automatische Erkennung identifiziert einschlägiges Sprachbild im persönlichen Narrativ.

Auffällige psychologische Muster können immer exakter durch automatische Spracherkennung identifiziert werden: laut einer rezenten Arbeit der Universität Ulm, präsentiert auf der Interspeech2018 in Hyderabad, ist es über digitale Analyse der Wortwahl gelungen, sprachliche Marker für Narzissmus und Depression in einem Sample von 220 Testpersonen zu erkennen. Aufgabe des Experiments war es, in 10 – 20 Minuten persönliche Ereignisse und Entwicklungen im vergangenen Jahr zu reflektieren und Erwartungen für 2018 niederzuschreiben.

Interessant: Narzissten fielen vor allem durch die minimale Verwendung von Ziffern bzw. von Worten, die Zukunft, Familie oder Ängste beschreiben, auf.

Die AutorInnen erklären das so:

  • Der Narzissten typische Mangel an Selbstkontrolle verhindere meistens den Erfolg langfristiger Projekte - das Thema Zukunft sei daher mit Angst besetzt und werde vermieden,

  • die Egozentrik von Narzissten erschwere zwischenmenschliche Beziehungen und damit werde das Thema Familie kritisch gesehen und

  • die Angst vor der Angst sei bei  Narzissten, deren Selbstwertgefühl charakteristischerweise niedrig ist, eben riesig.

Bei Menschen mit narzisstischen Sprach-Markern war außerdem bemerkenswert, wie oft sie Emotionen im negativen Kontext erwähnten, während im Gegensatz dazu jene mit depressiven Sprach-Markern ganz generell ein negatives persönliches Narrativ von 2017 und 2018 hatten.

Aus der Praxis

Eines gleich vorweg: Ein Mindestmaß an narzisstischen Attitüden ist meiner Erfahrung nach nicht nur positiv, sondern auch nötig. Positiv, weil Narzissmus in kleinen Dosen jedenfalls ein höheres Ausmaß an selbstbestimmtem Leben sicherstellt, und nötig vor allem bei Berufen und Positionen im Scheinwerferkegel. Denken Sie nur an SchauspielerInnen, SpitzensportlerInnen, PolitikerInnen oder ManagerInnen, die sich in einem sehr kompetitiven internen Umfeld behaupten müssen.

Aber: auf die Dosis kommt es an. Ausgeprägte Narzissten sind im beruflichen Kontext nur eingeschränkt vermittelbar, denn sie finden selten die Mitte zwischen zu viel und zu wenig Risiko im Treffen von Entscheidungen, sind im Krisenmanagement, weil immer die anderen schuld sind, nahezu unbrauchbar und lassen aufgrund ihrer vermeintlichen eigenen Grandiosität niemand sonst neben sich hochkommen.

Ich beobachte jedenfalls, dass den meisten Menschen gar nicht bewusst ist, ob und wenn ja, was sie aufgrund ihrer Wortwahl von ihrer Persönlichkeit preisgeben. Es ist daher immer wieder Teil meiner Aufgaben für KundInnen, diesbezüglich Spiegel in der Analyse ihrer Kommunikation zu sein und – was die beste Software nicht vermag – gleichzeitig gemeinsam Alternativen des Ausdrucks zu entwickeln, die einerseits narzisstische wie depressive Anklänge nicht zu deutlich hervortreten lassen und dennoch authentisch sind.

(c) Clemens Fabry

Regina Jankowitsch ist Excutive Coach in Wien.

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