Mütter - niemand ist besser organisiert

Christina Krug, Schnabulerie
Christina Krug, SchnabulerieKatharina Roßboth
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Porträt. Vor fünf Jahren sattelte Christina Krug um, von Musik und Kulturmanagerin auf Konditorin. So konträr das zu sein scheint: Sie konnte vieles in ihr neues Leben mitnehmen.

Es gab eine Zeit, da brannte Christina Krug (37) für die Musik. Ideen auf die Bühne zu bringen, das war es. So wie Händels Barockoper „Ariodante“ an der Universität für Musik und darstellende Kunst. Krug, studierte Pianistin und Master in Kulturmanagement, organisierte Orchester, Bühne und Bühnenbild, studententypisch ohne Budget. Sie empfinde, sagt sie, „eine unglaubliche Diskrepanz zwischen dem, was auf der Bühne stattfindet, und dem, was das Publikum mitnimmt.“ Das zu übersetzen gefiel ihr.

Jobwechsel - Gelernt ist gelernt

Es gefiel ihr, bis sie vor fünf Jahren mit ihrem Sohn in Karenz ging. Die Arbeit davor war kopflastig gewesen. Wie viele ihrer Kollegen wünschte sie sich, kreativ etwas zu schaffen, das man sehen und angreifen konnte. Eine Idee reifte: Backen hatte ihr immer großen Spaß gemacht. Man könnte doch . . . eine Backstube . . . feine Hochzeitstorten . . . ein Café . . .

Als sie aus der Karenz zurückkehrte, erwarteten sie im Kulturbetrieb die üblichen Vorurteile gegen junge Mütter. „Die ist doch jetzt mit dem Kopf beim Kind“, hieß es, „die ist nicht mehr so leistungsfähig wie zuvor.“ Es ärgerte sie. „Wenn jemand tausend Prozent leistungsbereit ist, dann Mütter. Und niemand kann besser organisieren.“

Sie ging und feilte ihr Tortenkonzept rund. „Wenn ich etwas mache, ist es von Anfang bis Ende durchgedacht.“ Kerngedanke: Was will ich meinem Kunden mitgeben? Wie transportiere ich es? Neues Thema, gleiche Denkweise. Gelernt ist gelernt.

Was folgte, war ein Kraftakt. Kind, kündigen, Konditorei, Meisterprüfung. Als Quereinsteigerin blies ihr ein scharfer Wind entgegen. Heute könne sie diesen nachvollziehen, sagt sie, zumindest teilweise. Auch bei ihr bewerbe sich so mancher Quereinsteiger, der wunderschöne Zuckerrosen fertige, aber drei Tage pro Stück brauche. „Das kann ich mir nicht leisten. Und ich kann es vor den Lehrlingen nicht rechtfertigen. Die lernen, schnell zu arbeiten.“

Ihr ging es bei der Prüfung noch genauso: Das Theoretische war ein Klacks – lernen war sie ja gewohnt –, aber das Tempo des praktischen Teils machte ihr zu schaffen. Und die Stilfrage: Sie fertigte eine elegant-weiße Zuckerorchideenranke, die Prüfer wünschten sich deftige Opulenz. Kreatives war nicht vorgesehen.

„Das war schon immer so“

Die Alteingesessenen misstrauten ihr. Immer mehr Konditoreien mussten schließen, und da kam diese junge Künstlerin und schwärmte von Ästhetik und Komposition. Sie holte Dekotechniken aus dem englischsprachigen Raum, Naked Cakes, Blütenpasten und Spritzglasur, ganz anders, als es hier gelehrt wird. Tradition sei nicht die Anbetung der Asche, konterte sie mit Gustav Mahler, sondern die Weitergabe der Flamme.

Der Durchbruch kam schon in der ersten Saison. Austro-Designerin Lena Hoschek wünschte sich eine Hochzeitstorte, die den Gesetzen der Statik widersprach. Krug machte sie möglich. Dann setzte der Run ein. Im Sommer Hochzeitstorten, im Winter der Cafébetrieb: Ihre Mödlinger Schnabulerie war rasch ausgelastet. Bald entdeckte sie eine neue Marktnische: Kurse, die den Wunsch vieler Hobbybäckerinnen erfüllten, einmal in einer richtigen Backstube zu werken.

Die nächste Idee ist auch schon da: Pralinen- und Macarons-Bars für Firmenevents, auf denen die Gäste ihre Giveaways selbst verzieren: „Beim Hände-in-die-Schokolade-Tauchen kommt man ins Reden“, lächelt sie.

Im Schnelldurchlauf klingt das alles sehr einfach. Ist es nicht. Krug lernte die Mühen des Unternehmertums kennen, Steuern und Abgaben, die den Erfolg verleiden, und junge Bewerber mit dem Anspruch, der Job müsse sich nach ihrer Freizeit richten. „Da spiele ich nicht mit“, trotzt sie. Weil es unfair gegenüber den Einsatzbereiten wäre.

Eines will sie ganz sicher nicht: skalieren. Mehr Filialen hieße nur mehr Arbeit, mehr Mitarbeiter, mehr Verantwortung. Man müsse sich überlegen, was man vom Leben wolle, sagt sie. Sie wollte Selbstverwirklichung, genug Geld, um davon leben zu können, und keinen Chef mehr über sich. Das habe sie geschafft. Nach fünf hektischen Jahren komme jetzt das Vierte an die Reihe: mehr Zeit für sich. Und für die Familie.

ZUR PERSON

Die Karriere der heutigen Konditorin Christina Krug (37) zeigt viel Typisches für weibliche Umsattlerinnen: ein mit Begeisterung erlernter Erstberuf (Musik und Kulturmanagement), der dennoch Wünsche offenließ; eine Lebensveränderung (das erste Kind); ein konsequent durchgezogener Entschluss (die Meisterprüfung); ein Konzept, in dem Gelerntes aus dem alten Beruf in den neuen hinübergezogen wird, sowie schlüssig-inhaltliche Erweiterungen. Skalieren ist nicht so wichtig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2018)

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