Warum Widerstände wertvoll sind

Karriere Widerstände
Karriere Widerstände(c) Marin Goleminov
  • Drucken

Führung. Mitarbeiter wollen gefragt und gehört werden, wenn es um Entscheidungen geht. Mehrheitsentscheidungen schaffen aber auch immer Unterlegene. Doch: Es geht auch anders.

Sie fühlen sich zu langsam, innovieren und produzieren an Kundenwünschen vorbei. Bei Mitarbeitern größerer Organisationen, sagt Andreas Rath, Geschäftsführer der Beratung Brains and Games, paare sich der Neid, nicht so beweglich zu sein wie ein Start-up, gern mit dem Frust, von zu vielen Faktoren abhängig zu sein.

(c) Andreas Rath

Zudem seien viele Führungskräfte überfordert und haben (zu) wenig Zeit für Führung – auch weil sich ihre Führungsspanne ständig vergrößert, sie also für immer mehr Personen zuständig sind.

So entwickelt sich der Wunsch der Mitarbeiter, gehört und gefragt zu werden. Wobei partizipieren nicht unbedingt heiße, mitentscheiden zu wollen. Rath nennt ein Beispiel: Open Space, eine von vielen Managern geschätzte Mode, ist nicht zwingend optimal. Besser ist, die Mitarbeiter selbst das optimale Büro gestalten zu lassen.

"Wie bei kleinen Kindern"

Was helfen könne, sagt Rath, sei, Verantwortung gezielt abzugeben. Dazu seien Vorgaben „wie bei kleinen Kindern“ nötig. Mitarbeitern soll ein ganz klarer Rahmen abgesteckt werden, in dem sie frei entscheiden sollen, sich aber Hilfe holen können, um gute Entscheidungen zu treffen. Unklare Verantwortungsverteilung, sagt er, könne sonst dazu verleiten, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Eine andere Variante ist, die Entscheidungsfindung auf eine kollektive Basis zu stellen. Rath nennt das Beispiel von Uwe Lübbermann. Dieser hat 2001 Premium Cola aus Protest gegründet, weil Afri-Cola das Rezept geändert hatte, ohne das zu kommunizieren. Lübbermann gibt Entscheidungskompetenz ganz radikal ab: Wesentliche Entscheidungen werden über den Weg des Konsensierens getroffen. Mitarbeiter, Lieferanten, Gastwirte, Konsumenten können sich beteiligen. Dabei wird jedes Veto ernst genommen und an den Optionen gefeilt. 50 Prozent plus eine Stimme ist Lübbermann zu wenig.

Dieses Beispiel und das Konsensieren als zugrunde liegende Methode beschreibt auch Richard Pircher in seinem Buch „Agilstabile Organisationen“: Zu Entscheidungen zu kommen, dauert so zwar länger. Die Entscheidungen halten aber auch länger.

Wo die Mehrheit entscheidet, gibt es immer Unterlegene

„Denn Mehrheitsentscheidungen schaffen Unterlegene“, sagt auch Susanne Schwanzer. Die Geschäftsführerin von Weichenstellen begleitet Changeprojekte und setzt Konsensieren bei der Moderation von Entscheidungsprozessen ein. Oft boykottieren diese Unterlegenen die getroffene Entscheidung. Beim systemischen Konsensieren wird verhindert, dass sich Vorschläge durchsetzen, die hohen Widerstand erzeugen. „Für eine beliebig große Auswahl an Optionen wird der individuelle Widerstand der Beteiligten mit Werten von null bis zehn gemessen. So wird die Lösung ausgewählt, die den geringsten Widerstand in der Gruppe hervorbringt. Sie kommt dem Konsens am nächsten und ist tragfähig.“

Geeignet ist das Verfahren, um alternative Lösungen zu finden, einen konstruktiven Dialog zu fördern und auch zurückhaltende Personen in die Entscheidung einzubeziehen. Wichtig ist auch, dass zuvor jeder Lösungsvorschläge einbringen kann.

Im ersten Moment, räumt Rath ein, sei es paradox, auf das Entgegenstehende, den Widerstand, zu achten. Letztlich aber stütze das Verfahren die Lösungsorientierung, weil an Lösungen gefeilt werde, die (möglichst) alle mittragen. In der Praxis komme es kaum vor, dass jemand eine Entscheidung bewusst blockiere. Rath rät, das psychologische Moment nicht zu vergessen: „Das Verfahren hat auf das Ergebnis großen Einfluss.“

Machtwort kaum nötig

Allerdings: Bei radikalen Einschnitten sei es für das Management trotzdem manchmal ratsam, allein zu entscheiden – vorausgesetzt, es wird vorab kommuniziert. Im Fall von Premium Cola war das in den vergangenen 15 Jahren aber nur dreimal der Fall.

Veranstaltungstipp

Uwe Lübbermann (Premium Cola) ist am 21. November in Wien bei Brains and Games zu Gast. Er hält die Keynote bei „Mythos Post-Hierarchie: Vom Führen und Führen lassen“. Infos zu Vortrag und Workshops: www.bag.at/events

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hinweis geben, so heimlich wie möglich.
Whistleblowing

Vernadern leicht gemacht

Edward Snowden zahlte einen hohen Preis dafür, Unrecht anzuzeigen. In der EU schützt bald ein neues Gesetz unternehmensinterne Hinweisgeber vor Repressalien.
Virtuell führen

Online-Meetings: Gegen das große Gähnen

Online-Meetings sind langweilig, anstrengend, und sie machen müde. Das lässt sich ändern: mit Tricks aus der Trainerkiste, die Bewegung in jedes Meeting bringen.
Umfrage

Uns geht es eh gut, den anderen nicht

Optimismus für das eigene Unternehmen, Pessimismus für den Markt: So deuten heimische Führungskräfte die Lage. Plus: Wünsche an die Regierung.
 
 
Farbenspiele
Persönlichkeit

Farbspiele für Führungskräfte

Ein uraltes Konzept wird je nach Zeitgeist neu interpretiert. Jetzt ist gerade die ausgewogene Mischung dran. Das kann sich auch wieder ändern. Eine Zwischenbilanz.
Management & Karriere

Wenn der Chef zu nett beurteilt

Zu freundliche Mitarbeiterbeurteilungen verzerren das Talent-Management.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.