Lernen

„Zuhören zu müssen ist eine Strafe“

(c) Marin Goleminov
  • Drucken

Wer möchte, dass Mitarbeiter gern lernen, muss entsprechende Umfelder schaffen. Interaktive Elemente mit direktem Feedback sind ein Schlüssel dazu, sagt Lernexpertin Michaela Meier.

Sie sind zwar keine eineiigen Zwillinge, treten aber gern im Doppelpack auf: Digitalisierung und (Aus- und Weiter-)Bildung. Mitarbeiter für neue Aufgaben zu rüsten sei allerdings keine triviale Aufgabe, sagt Michaela Meier, Geschäftsführerin Trenkwalder Learning, die sich intensiv mit Lernpsychologie und Neurowissenschaft befasst. Für sie ist der richtig Mix aus Kanälen wichtig – je nach Erfahrung, Alter, Aufgabengebiet und angepeiltem Ziel.

Meier nennt Beispiele: Angesichts hoher Fluktuation müssen Unternehmen versuchen, Onboarding und Einarbeitung in den Job flexibler, effizienter und modularer zu gestalten: Dies geschah früher oft informell (indem man mit einem „Kollegen mitläuft“) und durch Präsenzverstaltungen. Das durch „E-Learning und Webinare zu ersetzen, um es flexibler zu gestalten, reicht oft nicht aus, um Zugehörigkeit zum Unternehmen zu vermitteln“. Hier ist Balance gefragt: „Interaktive Videokurse und E-Learning-Module für die wichtigsten Infos und Prozesse und Kennenlernveranstaltungen, um das Persönliche, das Besondere zu erfahren“, sagt Meier.

Oder Berufseinsteiger: Sie würden sich oft fragen: „Warum muss ich schon wieder lernen?“ Dieser Ungeduld müsse man begegnen: Wer den Lernerfolg schnell spürt, ist eher bereit, Neues zu lernen. Bewegtbild könne hier helfen, weil es der Realität nahe sei und man in Videos auch Prozesse gut darstellen könne – oft besser als in verbaler Beschreibung. Und man müsse der kürzer werdenden Konzentrationsspanne Rechnung tragen und interaktive Elemente mit direktem Feedback anbieten. Denn „nur „zuhören zu müssen ist eine Strafe für viele“, sagt Meier. Lehrende sollten in Präsenztrainings nicht frontal vortragen, sondern für Fragen zur Verfügung stehen.

Bei Menschen, die selten am Computer arbeiten, gilt es, Formen des digitalen Lernens anzubieten, die für jeden intuitiv nutzbar sind. Computer (und Maus) sind häufig eine Qual für diese Zielgruppe. Meier empfiehlt dieser Altersgruppe für E-Learning auf das Smartphone umzusteigen, weil sich die viel intuitiver bedienen lassen.

Unternehmen, die sich lebenslanges Lernen auf die Fahnen heften, sollten diese Unterschiede vor Augen haben, bevor sie Lernprogramme ausrollen. Und auch ein Auge auf die Art der Wahrnehmung und Mediennutzung haben, auf die (Lern-)Skills und Erfahrungsniveau.

Nicht zu unterschätzen ist, wie Emotionen das Lernen beeinflussen. Stress oder Angst vor dem Jobverlust bremsen. „Bei Angst blockiert das limbische System die Gedächtnisbildung“, sagt Meier. Wird die so abgespeicherte Information wieder abgerufen, ist sie mit dem Gefühl der Angst verknüpft – kreative Problemlösungen sind dann nicht zu erwarten.

Entscheidend ist, dass sich Menschen freiwillig in Lernsituationen begeben. Meier nennt das Beispiel eines Finanzdienstleisters, der Schaltermitarbeitern Englischkurse anbot: Die Schlüssel zum Erfolg waren, dass sich die Mitarbeiter die Themen der Einheiten selbst wählen konnten (darunter nicht nur Facheinschlägiges, sondern auch Sportthemen), dass sie die Reihenfolge der Einheiten und den Zeitpunkt des Lernens selbstbestimmt wählen konnten.

Spuren hinterlassen

Damit Lernen gelingt, darf es an Feedback und Belohnung nicht fehlen. Letzteres erhält der Lernende automatisch, wenn ein Problem gelöst, eine gestellte Frage beantwortet oder eine Aufgabe bewältigt ist. Mit diesem Aha-Erlebnis wird Dopamin frei und die Information im Hirn gespeichert. Als Belohnung wird aber auch das persönliche Feedback erlebt. Und daneben alles, was das Lernen sichtbar macht. „Alles, was ich mache bzw. lerne, muss Spuren hinterlassen, die ich lesen kann“, sagt Meier. Das gelte allerdings nur dann, wenn das zu Lernende für mich auch Relevanz habe.

ZUR PERSON

Michaela Meier ist Geschäftsführerin von Trenkwalder Learning. Die Psychologin und Philosophin hat zuvor einen Schulbuchverlag geleitet und ein Start-up für Online-Trainingslösungen gegründet. [ ZVG ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.