Management. Unternehmer sollten aufhören, nur „Exploit“ im Sinn zu haben, und zu „Explorern“ werden, sagt Business-Model-Canvas-Erfinder Alexander Osterwalder. Doch vielen fehlt der Mut.
Wenn Alexander Osterwalder erklärt, warum sich Unternehmen mit dem Thema Innovation so schwertun, dann macht er das nicht nur mit Worten. Er zeichnet auch. Graphen, Diagramme, Grafiken. Verständlich, eingängig, beinahe künstlerisch.
Wie der Schweizer Wirtschaftstheoretiker, Autor, Berater und Entrepreneur das gelernt hat? „Ich habe die Menschen, denen ich es erklärt habe, beobachtet, wie sie reagieren.“ Zustimmend, skeptisch, verwirrt: Anhand der Reaktionen habe er gelernt, wie er die Erklärung und wie er das Modell als solches verbessern müsse.
So hat er den Business Model Canvas entwickelt, eine Methode, mit der man auf einem Blatt Papier eine neue oder bestehende Geschäftsidee übersichtlich darstellen und auf Stärken und Schwächen abklopfen kann.
Er und seine rund 470 Koautoren entwickelten den Business Model Canvas, in dem sie testeten und immer wieder kritische Fragen stellten. Nicht anders kam Osterwalders Business Portfolio Map zustande, die im nächsten Herbst als Buch erscheinen wird und die er dieser Tage in Wien beim Global Peter Drucker Forum präsentierte. Und mit der er mit Mythen zum Thema Innovation aufräumt.
Mythos Nummer 1:
Innovation ist teuer. Wer eine gute Idee hat, aber keine Ahnung, ob sie funktioniert, solle kein Spreadsheet schreiben. Das sei nur die „Detaillierung einer Fantasie“, sagt Osterwalder. Stattdessen solle man Fakten sammeln, mit Kunden reden und sie fragen, ob sie für das Produkt bzw. die Dienstleistung auch etwas bezahlen würden. Das koste vergleichsweise wenig Geld, reduziere mit jeder Frage und jeder Antwort das Risiko und ermögliche viele Lernschritte.
So könne jedes Unternehmen Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Doch die Realität sieht anders aus. Der Druck auf die Führungskräfte sei enorm, Geschäftsmodelle würden an Haltbarkeit verlieren wie das Joghurt im Kühlschrank, wie Osterwalder sagt.
Mythos Nummer 2:
Innovation ist gleich Technologie. Dieser Irrtum schreckt viele Unternehmen ab. Dabei wissen Hightech-Unternehmen, dass es auch auf andere Dinge ankommt. Nintendo etwa sein mit seiner Spielkonsole Wii seinerzeit weit hinter den technischen Möglichkeiten der Zeit zurückgeblieben, habe aber „Casual Gamer“, wie sie Osterwalder bezeichnet, begeistert. Erfolgreich ist man dann, wenn die Kunden und die eigenen Finanzleute gleichermaßen zufrieden sind.
Mythos Nummer 3:
Innovation ist nur etwas für große Unternehmen, kleine haben keine Chance. Tatsächlich sei es eine gute Möglichkeit, Mitarbeiter in Zweier-Teams zusammenzuspannen und Gedanken spinnen lassen. Denn, sagt Osterwalder, „ich brauche nicht die eine Idee. Ich brauche viele Ideen.“ Aus denen sich die eine gewinnbringende herauskristallisiere. Unternehmen, auch den kleinen, muss klar sein: „Sie müssen in ein Portfolio investieren.“
Rund 90 Prozent der Unternehmen sind auf „Exploit“ gerichtet und darauf, ein Geschäftsmodell auszuschlachten. Manager können sich hier aufs Managen konzentrieren, kennen sie doch Stakeholder und Umfeld. Das unterscheide sich deutlich von „Explore“, also dem Finden neuer Geschäftsmodelle. Das Problem in der Praxis sei, dass die Kennzahlen aus der Exploit-Welt (Gewinn maximieren, Effizienz steigern, Stückkosten minimieren etc.) auf die Explore-Welt angewendet werden – was nicht funktioniere. Hier braucht es Mut und Kennzahlen, die etwa zeigen: Wie viel habe ich gelernt? Wie sehr habe ich mein Risiko minimiert?
Statt die Exploit- mit der Explore-Welt zu verbinden und möglichst in beiden Weltklasse zu sein, würden viele Unternehmen „Innovationstheater“ spielen – mitsamt Hackathons und Inkubatoren. Weil sie die Innovationsstrategie nicht in ihren Alltag einbinden.
Blick in den CEO-Kalender
Aufschlussreich sei der Blick in die Agenda des CEO: Wie viel seiner Zeit investiert er wöchentlich in Innovation? „Keine 20 bis 40 Prozent: Dann handelt es sich um Innovationstheater“, sagt Osterwalder. Dann relativiere sich auch der „war for talents“, weil Talente keinen Raum bekommen und Intrapreneurship unmöglich sei.
Alexander Osterwalder war vorige Woche einer von 111 Vortragenden beim zehnten Global Peter Drucker Forum in Wien. Der Schweizer, Kogründer der Beratung Strategyzer, wurde als Entwickler des Business Model Canvas bekannt, mit dem man auf nur einem Blatt Papier Geschäftsmodelle auf ihre Stärken und Schwächen testen kann. [zVg]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2018)