Job-Crafting: Arbeiten, was Freude macht

(c) Marin Goleminov
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In der Arbeit primär das tun, was zu den eigenen Kompetenzen, Stärken und Bedürfnissen passt? Was nach Utopie klingt, wird unter dem Titel Job Crafting umgesetzt.

Vielleicht haben die ja recht, die sagen: „Warum versuchen wir nicht, die richtigen Aufgaben für unsere Mitarbeiter zu finden, statt nur die richtigen Mitarbeiter für unsere Aufgaben?“ Eine Reaktion darauf könnte Job Crafting sein. Ein Konzept, das Amy Wrzesniewski (Yale), Justin Berg (Stanford) und Jane Dutton (Michigan) entwickelt haben und das bei Google und Co. umgesetzt wird. Mitarbeiter sollen Funktionen flexibel erfüllen und sich auf Aufgaben konzentrieren, die zu ihren Kompetenzen, Stärken und Bedürfnissen passen.

Arbeit selber anpassen

Job Crafting soll dabei helfen, das eigene Arbeitserleben zu verbessern: Als negativ empfundene Arbeitsanforderung oder Langeweile soll reduziert und die allgemeine Arbeitszufriedenheit erhöht werden. „Job Crafting will nicht die Arbeit als Ganzes umgestalten, sondern spezielle Aspekte der Arbeitsaufgaben und -anforderungen ändern und anpassen“, sagt Wrzesniewski. Ziel ist, das Erfolgs- und Kompetenzerleben, die Arbeitszufriedenheit, das Wohlbefinden, das Erleben von Sinn bei der Arbeit, das Engagement, die Ausdauer und die Leistung zu steigern und krankheitsbedingte Fehltage zu reduzieren.

Drei Ebenen der Veränderung im Job Crafting sieht Nicole Thurn: ► Task Crafting: Die täglichen Aufgaben und Arbeitsstrukturen werden verändert, etwa hin zu mehr Entscheidungsfreiheit. ► Relational Crafting: Es wird reflektiert, mit wem man wie, wann und wo zusammenarbeitet und bei Bedarf so verändert, dass alle zufriedener sind. ► Cognitive Crafting: Die Einstellung zur Arbeit und die Zusammenarbeit mit anderen werden hinterfragt. Neue Herausforderungen ergeben sich dann durch die Mitarbeit in neuen Projekten.

Beobachten, tauschen, freuen

Bevor Job Crafting umgesetzt wird, sollte man die täglich anfallenden Aufgaben beobachten und überlegen, welche freuen bzw. nerven. Und darüber reden: Vielleicht möchte ja ein Kollege Aufgaben tauschen. Für Unternehmen heißt das: Talente der Mitarbeiter erkennen, Entfaltungsmöglichkeiten einräumen, Aufgaben nach Bedarf umschichten – und sehen, wie sich Jobfrust in Joblust verwandelt. Und in weiterer Folge die Produktivität steigt. Das ist keine Utopie.

Hannes Zacher von der Universität Leipzig zeigte in einer Meta-Analyse aus 122 Einzelstudien, dass „Erwerbstätige, die Job Crafting betreiben, sich bei ihrer Arbeit weniger gestresst fühlen.“

Nun wird es immer Aufgaben, geben, die erledigt werden sollen/müssen, die aber niemand übernehmen möchte. „Solange diese zumutbar sind – also keine ,illegitimen Aufgaben‘ darstellen – und fair unter den Mitarbeitenden verteilt werden, können Vorgesetzte natürlich verlangen, dass Mitarbeitende diese Aufgaben erledigen“, sagt Zacher. Denn Job Crafting habe bestimmte Grenzen: Es gehe primär darum, dass Mitarbeiter ihre Aufgaben dahingehend verändern, dass sie besser ihren persönlichen Fähigkeiten und Interessen entsprechen und sich so motivierend auswirken. Dass sie etwa geistig stärker herausfordernde Tätigkeiten oder solche mit mehr sozialen Kontaktmöglichkeiten übernehmen. Unbeliebte, aber notwendige Aufgaben dürfen darüber nicht vernachlässigt werden.

Noch eine Frage stellt sich, wenn Mitarbeiter ihre Aufgaben wie bei einem Baukastensystem zusammenstellen: wie sich faire Gehälter finden lassen. „Es geht nicht darum, dass Mitarbeitende sich alle ihre Aufgaben komplett selbst auswählen. Die Kernarbeitsaufgaben müssen weiter erledigt werden, und diese bestimmen auch das Gehalt“, sagt Zacher.

Beim Job Crafting gehe es darum, bestehende Aufgaben zu optimieren oder zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, die den individuellen Fähigkeiten und Interessen der Mitarbeitenden besser entsprechen. Dabei steht die Erhöhung der Motivation im Vordergrund, während die Kernaufgaben und das Gehalt im Regelfall gleich bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2019)

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