Die abenteuerliche Reise nach Digitalien

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Es gibt unzählige Ratgeber dazu, wie man ein Unternehmen digital fit macht. Dieser ist ein Reisebericht. Er beschreibt höchst amüsant, was mutige Eroberer auf ihrer Fahrt ins Unbekannte erleben.

Digitalien“ nennen Christopher Rheidt und Daniel Wagenführer, Geschäftsführer bzw. General Manager von TA Triumph-Adler, das Wunderland, in das man sich wagt, wenn man sein Unternehmen digital fit machen will. Digitalien hat weder Grenzen noch Passkontrollen, aber eine Hauptstadt. Für die Autoren ist das Berlin. Es könnte genauso gut Wien sein.

Nichts, was im „Digital Tour Book“ steht, ist bahnbrechend neu. Wie die beiden aber ihre Reise erleben, wie sie ihre Abenteuer halb zynisch, halb belustigt beschreiben, das ist die Lektüre wert.

Aufbruch. Als Einstiegsdroge in die digitale Zukunft bieten sich Start-up-Touren an, wie sie von vielen Anbietern gegen gutes Geld organisiert werden. Allerdings: Bevor man sich eine solche aufschwatzen lässt, muss man klar wissen, was Digitalisierung für das eigene Unternehmen bedeuten soll. Sonst verzettelt man sich in Themen, die zwar IT-technisch möglich, aber irrelevant sind.

Reisegruppe. Wer reist, braucht Begleiter. Beteiligte und Begeisterte sind klar, aber auch die Skeptiker müssen an Bord. Erstens, weil auch sie begeistert werden müssen, zweitens, weil sie am ehesten einen kühlen Kopf bewahren.

Besuch bei den Eingeborenen. Auf so einer Tour zu den Ureinwohnern Digitaliens besucht man vier bis fünf Start-ups, die in aufgelassenen Fabriken wohnen und alte VW-Busse als Ruhezonen benutzen. Das soll den Besuchern ihre Kreativität beweisen.

Der fröhliche Rundgang durch den Eingeborenenzoo reicht aber nicht. Wer wirklich Nützliches mitnehmen will, muss ein paar Gründer unter vier Augen sprechen und ihnen echte Fakten entlocken.

Immer kommen dann kompetente Berater ins Spiel, die dem Neuling gern bei vagen, aber überbezahlten Pilotprojekten unter die Arme greifen wollen. Hier tummeln sich jede Menge Blender, die Meister im Aufbauen von Druck sind, ohne ihre Hilfe werde man den Anschluss verpassen. Gern lassen sie große Namen fallen, mit wem sie nicht schon alles zusammengearbeitet haben. C-Level ist das Mindeste. Spätestens hier bewähren sich die Skeptiker in der Reisegruppe.

Basislager. Die Reisenden schlagen nun Quartier auf, bevorzugt in einem Co-Working-Hub, -Space oder -Lab. Das ist tatsächlich eine gute Idee, weil diese nicht viel Geld kosten und wertvolle Kontakte bringen.

Für den Reiseleiter beginnt nun die Zeit der Zerrissenheit: Bei aller Begeisterung für Digitalien darf er nicht auf sein Tagesgeschäft vergessen.

Vorsicht beim Füttern. Viele überlegen nun, ein Start-up zu kaufen und ins eigene Unternehmen zu integrieren. Genau darauf sind die meisten Gründer aus: Millionen kassieren und Exit.

Das ist oft der Anfang vom Ende, weil sich die besten Leute des Start-ups dann blitzschnell aus dem Staub machen. Selbst wenn sie bleiben, klappt die Integration nur selten. Es gibt Alternativen: Die Autoren entschieden sich für eine Kooperationsplattform, auf der sie ihre Kunden mit den Einwohnern Digitaliens zusammenbringen.

Zurück daheim. Die Reise war ein voller Erfolg. Jetzt geht es darum, die Erkenntnisse im eigenen Unternehmen umzusetzen. Hier zeigt sich ein Problem: Das Volk übt sich in passivem Widerstand. Dieser ist nachvollziehbar, haben sie doch die Reise nicht miterlebt und bisher hauptsächlich von den Gefahren Digitaliens gehört. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze.

Ganz klar: Die Reisegruppe muss in zahllosen Vorträgen herausarbeiten, dass Digitalien allen etwas bringt. Und dass diese Reise nur der Anfang war. Denn sie ist nie zu Ende.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2019)

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