Worauf sich Influencer gefasst machen müssen

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Trend. Was haben wir doch gelacht über die kurzberockten Influencerinnen, die schwärmerisch Waschmittel/Deo/Proteinshakes/Staubsauger in die Kamera hielten. So plump, nicht wahr, und so dilettantisch.

Nicht einmal Spötter können es verleugnen: Influencer haben sich zum ernst zu nehmenden Marketingzweig gemausert. 880 Millionen Euro soll der deutschsprachige Markt bis 2020 schwer sein. 2017 waren es 583 Millionen Euro.

Viel hat sich verändert seit jener ersten Welle, die 2005 im Sog der Social Media hochschwappte. Um pure Selbstdarstellung ging es damals, um Ego, Bühne und Publikum. Dann begriffen einige, dass sich damit auch Geld verdienen lässt. Heute geht es nur mehr darum. Ein lukratives Geschäftsmodell war geboren – pfeif' auf Authentizität und Glaubwürdigkeit.

Die Branche versucht, ihr Image zu drehen. Die Influencer-Plattform (auch das gibt es) Reachbird bat 15 Influencer und Influenceraffine um ihre Prognosen zum Thema. Alle beschworen den Geist der Professionalisierung – wie er konkret aussieht, wissen sie nicht. Manche deckten Systemfehler auf, wie der erst 16-jährige Charles Bahr, seit zwei Jahren Herr der Beratungsagentur Tubeconnect. Zu viele Instanzen schnitten heute mit, beklagt er: Media-Agentur, Influencer-Agentur, Management (Influencer haben ein Management hinter sich), der Influencer selbst: Am Ende bleibe diesem zu wenig Geld.

Die Influencer-Agenturen sind ein Problem für sich. Flugs gegründet, überlebten nur wenige. Eilig aus dem Boden gestampfte Divisionen etablierter Mediaagenturen wiederum taten sich mit den unfolgsamen Influencern schwer. Logische Konsequenz: Die großen Netzwerke schlucken die besseren der Influencer-Agenturen. Das geschieht gerade.

Mega, makro, mikro, nano

Influencer müssen sich ständig umstellen. Anfangs ging es um Follower, so viele wie möglich. Jeder wollte ein Mega-Influencer sein, ein Star mit millionenstarkem Gefolge. Gar nicht so selten poppten dann Skandale hoch, wenn herauskam, dass Follower und Likes nur gekauft oder Social Bots zu verdanken waren.

Dank Google Analytics (und später professioneller Software) fanden die betrogenen Unternehmen rasch heraus, dass ihre Zugpferde die Follower bloß in China oder Russland zugekauft hatten. Aus Quantität wurde Qualität. Nach mega, makro und mikro darf die Fanbasis jetzt ruhig nano sein: 1000 Follower sind auch okay, wenn es nur die richtigen sind. Die Influencer lernen gerade, sich mit Kennzahlen für Reichweite, Relevanz und Resonanz anzufreunden.

Daneben büffelten sie Storytelling. Weil es nicht mehr genügt, ein Produkt in die Kamera zu halten (oder wie zufällig auf dem Nachtkastl stehen zu haben). Und Technik: Angesagt sind Webserien, Cinemagramme (Standbilder mit Minibewegung) oder Augmented-Reality-Einbettungen. Und gesprochene Podcasts. Ein wenig erinnert das an das Ende der Stummfilmära, das so manchen Star mitriss.

Als ob das nicht schon genug Stress wäre, verlangen die Kunden jetzt auch, ihre klassische Kommunikation (Website, Broschüren) in eine Influencer-Kampagne zu integrieren. Aber nie, nie, nie dürfen Influencer auf die Kennzeichnungspflicht von Werbung vergessen. Sonst landen sie vor Gericht wie aktuell Fußballer-Gattin Cathy Hummels. Diese hatte einen Plüschelefanten ihres Sohnes nicht gekennzeichnet.

Neues Feld für Marketing

Es ist Fakt: Junge Zielgruppen hören nur mehr auf Influencer. Warum das nicht auch in Recruiting und Personal Marketing einsetzen? Linda Klimkeit, Online Marketing Managerin der Nachhaltigkeitsmarke Fond of Bags, rät zu eigenen Influencer Marketing Teams. Diese bewerten Postings strukturiert mittels CRM-System (keine Excel-Listen!), verhandeln, kümmern sich um Bildrechte (sonst muss alles doppelt fotografiert werden) und arbeiten strikt nach Vorgaben und Kennzahlen. Sonst, sagt Klimkeit, wäre die Gefahr zu groß, nur von einer gefälligen Bildsprache geblendet zu werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2019)

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