Kolumne. Am Anfang dachte sich niemand etwas dabei. Ein Grünkern-Aufstrich, gestern gekauft, war aus dem Eiskasten im Pausenraum verschwunden. Es blieb nicht beim Aufstrich.
Ein Spital, ein Team, eine Kaffeekasse, durch die frisch genesene Patienten ihre Dankbarkeit ausdrückten. In der Kaffeekasse war mehr Geld, als die Schwestern Kaffee trinken konnten. Also bekam jede ihren Anteil und finanzierte davon ihr Mittagessen.
Es begann mit einem Grünkern-Aufstrich. Die Schwester, der er gehörte, wusste ganz genau, dass er am Vortag bei Schichtende noch im Eiskasten war. Nun war er weg.
Bald darauf fehlte der Schinken. Dann Butter und Smoothie. Dann Hummus, Salat und Melone. Es wurde immer mehr.
Bald hatten die Schwestern ihre Teamchefin in Verdacht. Sie kam mit leerer Tasche und ging mit voller – und tatsächlich: Beim verstohlenen Blick in selbige fanden sich jeden Abend Lebensmittel, die den anderen gehörten.
Was tun? Die Chefin war als aggressiv bekannt. Davor und vor ihren guten Kontakten nach oben fürchteten sich alle. Zu allem Unglück saß die Chefin höchstselbst im „Vertrauensrat“, an den sich Mitarbeiter mit Kümmernissen wenden sollten.
Also stellten sich die Schwestern dumm und fragten scheinheilig etwa nach den drei Paketen Topfen, die doch eben noch im Eiskasten gestanden hatten. „Die hat die Nebenabteilung gebraucht. Für Topfenwickel“, wand sich die Chefin heraus. Selbstredend wusste die Nebenabteilung nichts davon. Und die drei Pakete Topfen in der Tasche der Chefin hatte die natürlich selbst gekauft.
Eigenartigerweise wurden auch die wöchentlichen Kaffeekassenausschüttungen immer dünner. Sie wird doch nicht die Kaffeekasse plündern?, raunten einander die Schwestern zu. Eine kaufte ein Sparschwein mit Schloss. Die Chefin war darüber ausgesprochen verärgert und gab ihr fortan die unangenehmsten Patienten.
Eines Tages fehlte Geld aus einem Portemonnaie im Umkleideraum. Nur dieses Team hatte Zutritt. Bis zu diesem Tag hingen Kleider und Handtaschen offen herum.
Eine Schwester schaltete die Polizei ein, natürlich ohne die Chefin zu informieren. Die stellte eine Falle auf, in die die Chefin prompt tapste.
Wie die Sache ausging? Jene Schwester, die Anzeige erstattet hatte, musste das Spital verlassen. Das Management konnte ihr „nach dieser ungeheuerlichen Sache nicht mehr über den Weg trauen“. Das übrige Team wurde aufgelöst und über das Spital verteilt.
Die Chefin kam mit einer Verwarnung davon. Sie bekam ein neues Team und genoss weiter das uneingeschränkte Vertrauen von denen da oben.
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