Gründer: Wie Start-ups die Personalwelt aufmischen

Vom Talenteportal über die Seminarbörse bis hin zur Video-Karrieremesse: Fünf junge heimische Web-Unternehmen stellen traditionelle Abläufe in Berufsorientierung, Jobsuche und Weiterbildung auf den Kopf.

Heute verschicken die meisten Bewerber Lebenslauf plus Motivationsschreiben per E-Mail. Vor 15 Jahren nahmen dieselben Dokumente den Postweg. Ob diese Entwicklung den technischen Fortschritt der jüngeren Vergangenheit abbildet, ist fraglich. Ebenso fraglich, wie viele Leute noch einen Überblick über den boomenden Weiterbildungsmarkt oder die Zahl der Networking-Veranstaltungen in ihrer Umgebung haben. Und wer heute mit Mitte 20 die Uni verlässt, kennt weder zwangsläufig seine eigenen Stärken noch die Vielfalt seiner beruflichen Möglichkeiten. All das birgt Potenzial für Innovationen, und tatsächlich kommen einige interessante Ansätze dazu aus Österreich. Zeit für einen Überblick.

Talente statt Eckdaten

In Sozialnetzwerken wie Xing oder Linkedin bilden die meisten Menschen nur ihren Lebenslauf ab. Über die dahinter stehende Person sagt das noch wenig aus. Die Idee des Wiener Gründerteams um „Mercury Puzzle“: wissenschaftliche Persönlichkeitstests werden kombiniert mit dem Social-Networking-Prinzip. Was für eine Persönlichkeit bin ich im Vergleich zu anderen? Wo liegen meine Talente? Die Tests auf der Onlineplattform können hier erste Einschätzungen liefern.

„Viele Leute lernen dasselbe, sind aber ganz unterschiedliche Persönlichkeiten“, sagt Ko-Gründer Nicolas Vorsteher. „Wenn jemand ein Studium im Finanzbereich absolviert hat, passt er womöglich gut in eine Bank. Ein anderer aber eher ins globale MTV Network.“ In sogenannten Talent Challenges rittern die Teilnehmer zudem um Sachpreise und konkrete Karrieremöglichketien in Partnerunternehmen. Das jüngste der hier vorgestellten Jungunternehmen ist seit Anfang September online und für Bewerber gratis zu benutzen.

Kandidat statt Inserat

Die heuer gestartete Plattform Candidatis bietet eine kostenlose Möglichkeit, das eigene Profil potenziellen Arbeitgebern und Personalberatern zugänglich zu machen – und zwar unter voller Wahrung der Anonymität. Im Zentrum stehen nicht Inserate, sondern Kandidaten. „Auf Jobportalen sind viele von der Profilfunktion enttäuscht, weil in Wahrheit die Inserate im Mittelpunkt stehen“, sagt Mitgründer Eduard Ducho. „Und in den großen Netzwerken trifft man auf Kollegen und Vorgesetzte.“

Auf Candidatis kann man ganz unverbindlich in den Raum stellen, was man zu bieten hat. Networking bleibt hier bewusst außen vor. Zusätzliche Funktionen sind ein umfangreiches Bewerbungsmanagement und die Möglichkeit, ein eigenes Bewerbungsvideo online zu stellen. Das Angebot wird über Personalberater und Outplacement-Agenturen finanziert, die Bewerberprofile einstellen, sowie über Unternehmen, die die Datenbank durchforsten.

1000 Geschichten statt einer

Was steht auf deiner Visitenkarte? Wie sieht dein Joballtag aus? Sieben solcher Fragen haben die Macher von Whatchado bereits mehr als 550 berufstätigen Menschen gestellt („Die Presse“ ist Kooperationspartner für die Live-Interviewserie „Career Hangouts“). Der Hintergrund: Vielen Jugendlichen und Berufseinsteigern fällt es schwer, sich etwas unter Jobprofilen vorzustellen. Auf Whatchado sollen möglichst viele Geschichten ein besseres und authentisches Bild bieten.

Die Videos entstehen auf Eigeninitiative von Whatchado oder wenn große Unternehmen gegen Bezahlung ihre Mitarbeiter befragen lassen. Der immer gleiche Fragenkatalog wahrt hier Authentizität und schützt vor PR-Sprech. Auf Basis eines Persönlichkeitstests kann man sich zudem Videos vorschlagen lassen, Karriere.at liefert dazu passende Inserate.

Webportal statt Infowüste

Amazon revolutionierte den Versandhandel, Buchungs-Websites den Tourismus. Das in Wien angesiedelte Portal beigebracht.com plant Ähnliches mit dem Markt für Aus- und Weiterbildung. Denn so vielfältig dort heute das Angebot ist, so schwierig der Durchblick. „Wir wollen für die Endkunden Transparenz bei den Angeboten schaffen und den Anbietern ein unkompliziertes Tool für Anmeldungen und Verwaltung bieten“, sagt Alexander Schmid, einer der beiden Geschäftsführer.

Weiterbildungswillige zahlen erst, wenn sie sich für ein Angebot entschieden haben – und zwar ausschließlich an den Anbieter. Der wiederum muss erst dann Geld an das Portal abtreten, wenn sich erste Bucher gefunden haben. Ein wichtiger Zusatznutzen soll durch die Vergleichbarkeit der Angebote entstehen. Beigebracht.com gibt es in der aktuellen Form seit Jahresbeginn. Derzeit liegt der Schwerpunkt noch in Ostösterreich, eine Expansion ist aber im Gange.

Terminplan statt Hörsensagen

Seit einem Jahr sammelt ein dreiköpfiges Studententeam um Michael Fellner karriererelevante Veranstaltungstermine in Österreich und veröffentlicht sie auf der kostenlosen Webplattform my-career.at. Derzeit sind die Gründer auf der Suche, mit einer gehörig gewachsenen Stammleserschaft den Schritt ins Unternehmertum zu gehen. „Gerade als Student tut man sich schwer, Kontakte zu Unternehmen zu knüpfen und einen Überblick über interessante Veranstaltungen zu bekommen“, sagt Fellner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2012)

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