Spaßgesellschaft bei der Arbeit

Diskussion. Trockenes Wirtschaftstreuhandwesen? Was Lachen, Freude und emotionale Intelligenz im harten Job-Alltag verloren haben.

Arbeit muss in erster Linie Sinn und Spaß machen. So will es die Generation Y. Zumindest wenn man der Analyse der renommierten deutschen Human Resource- und Marketing-Professorin Susanne Böhlich Glauben schenkt – die hatte diese weit verbreitete Ansicht erst am letzten Wochenende in einem Interview mit der „Süddeutschen“ bestätigt. „Work smart not hart“ scheint demnach einer der Leitsätze der nach 1980 Geborenen zu sein. Denn während die ältere Generation oft noch lebte um zu arbeiten, wollen die Jungen lieber Arbeit und Leben in eine freudvolle Balance bringen. Gefragt ist Abwechslung im Job, hinterfragt werden Hierarchien und Anweisungen von oben. Wer will schon ernsthaft fremdbestimmt sein, wo das Ziel doch Spaß und Selbstverwirklichung in allen Lebenslagen lautet.

Wo beginnt der Spaß und wann hört er auf, ist nur eine der Fragen in Anbetracht der Tatsache, dass hierzulande im Jahr 2020 jeder Zweite der Generation Y angehört. Und kann das Spaßmotto auch auf Berufe umgelegt werden, denen ein staubig trockener Ruf vorauseilt? „Knisternde Karriere? Wie Jobs elektrisieren und sogar Wirtschaftsprüfung Spaß machen kann“, hieß der dazu passende Titel der 20. Auflage der Veranstaltungsreihe „Kanzlei & Karriere“ für (angehende) Wirtschaftstreuhänder. Nach einleitenden Worten von Michael Tillian, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von „Presse“ und Wirtschaftsblatt, bat Karriere-Ressortchef Nikolaus Koller eine prominent besetzte Podiumsrunde zur Diskussion.

Spaß in Maßen

„Hüte dich vor Entschlüssen, zu denen Du nicht lächeln kannst. Was der preußische Politiker, Freiherr vom und zum Stein, schon im 18. Jahrhundert gesagt hat, ist heute gültiger denn je“, macht High Performance Coach Monika Herbstrith gleich zu Beginn eines klar: Freude an der Arbeit müsse im Vordergrund stehen. „Was etwa im Sport eine Selbstverständlichkeit und notwendige Bedingung für Spitzenleistungen ist, sollte es auch im Beruf sein“, so Herbstrith. „Ohne Freude geht es natürlich nicht. Auch Lachen darf sein. Ich selbst lache gerne, aber nicht so viel, dass ich dabei nicht zum Arbeiten komme“, schränkt Thomas Smrekar, Audit Partner bei KPMG, ein und betont, dass Ernsthaftigkeit und Verantwortungsgefühl keinesfalls zu kurz kommen sollten. „Spaß ist ok. In Maßen. In erster Linie müssen die Dinge im Unternehmen und zwischen Geschäftspartnern funktionieren. Dass dazu Emotionen notwendig und gut sind, versteht sich von selbst“, pflichtet Gerald Kogler, Finanzvorstand der Merkur Versicherung, bei.

Eigenverantwortung versus Außenklima


Und wie entwickelt man die richtige Emotion, wenn der Job grad partout keinen Spaß machen will? „Mit Training“, so die simple Antwort von Herbstrith. „Glück und Lebensfreude sind absolut trainierbar. Jeder kann lernen, selbst zu entscheiden, ob er eine Sache widerwillig und lauwarm angeht oder ob er es spannend und prickelnd gestaltet.“ Das liege vor allem in der Eigenverantwortung des Einzelnen und sei nicht primäre Aufgabe des Unternehmens. Eine Ansicht, die Smrekar so nicht ganz teilen kann: „Arbeitgeber und Teamleader müssen ein Ambiente schaffen, positives Feedback geben und Einsatz honorieren.“

„Für die Freude an der Arbeit ist das Unternehmen mitverantwortlich. Führungskräfte, die das nicht verstehen, bekommen Soldaten“, ist auch Kogler überzeugt. Grundlage dafür das Unternehmensklima zum persönlichen Vorteil zu nutzen, sei natürlich die emotionale und soziale Intelligenz der Mitarbeiter. Eigenschaften, die laut Smrekar ihre Wurzel tief in der Persönlichkeit verankert haben. Nichts was wirklich erlernbar sei.

Alles nur Training?

Oder doch? „Sympathie und empfundenes Verständnis sind wesentliche Kompetenzen, die sich durch gezieltes Training aneignen lassen. Das weiß ich von meinen Audits“, sagt Herbstrith. Bewerbern empfiehlt sie in diesem Zusammenhang stete Selbstreflektion und die klare Formulierung der eigenen Stärken: „Jeder sollte sich die Frage stellen, was er besonders gut kann und in welchem Feld er dies am besten einsetzen soll. Wenn dann noch ein emotionaler Bezug zum Unternehmen oder Arbeitsbereich geschaffen wird, ist die Zeit gekommen, sich mit ,würdevoller‘ Demut zu präsentieren.“

Laut Kogler eine „schöne Theorie“, die in der Praxis allerdings zu hinken und haken droht: „Kann sich ein junger Mensch nach der Schule oder dem Studium wirklich schon so genau selbst einschätzen, dass ihm klar wird, wohin ihn seine Begabungen karrieretechnisch führen sollen?“. Viel eher wäre eine „professionelle“ Demut angebracht, bei der man nicht ständig die eigenen Stärken vor sich her trägt, sondern die Schwächen gut im Blick hat, um daran feilen zu können.

Gesamtpaket ohne Geburtsdatum

„In meiner Branche zählt erstens die fachliche Kompetenz und zweitens die psychologische Fähigkeit, sich auf wechselnde Situationen und Kunden schnell einstellen zu können“, schlägt Smrekar die thematische Brücke zum Beruf des Wirtschaftsprüfers. „Man könnte auch vereinfacht sagen: Es braucht die Freude an Zahlen und jene an Menschen.“  Emotionale und soziale Intelligenz – etwa wenn es darum geht, in stressigen Prüfungssituationen einen gemeinsamen Weg mit dem Kunden zu gehen – gehören ebenso zum Anforderungsprofil wie fachlich fundiertes Know-how.

Eine sympathische Ausstrahlung – ob antrainiert oder gegeben – hilft, ist aber allein nicht ausschlaggebend. Stimmt das Gesamtpaket, dann macht auch der Beruf Spaß. „Ich erlebe auch nach 20 Jahren im Job noch immer die gleiche Freude und Spannung, wenn ein Kunde zufrieden ist“, so Smrekar. Das funktioniere auch in einem vermeintlich trockenen Metier – und selbst dann, wenn einen das Geburtsdatum nicht als Teil der Generation Y ausweist.

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