Wann sich ein Lehrling rechnet

Fachkräfte von morgen. Warum stellen Unternehmen Lehrlinge ein? In den kommenden Wochen geht „Die Presse“ sieben Grundsatzfragen rund um die Lehre auf den Grund. Diese Woche: Die Ausgangsüberlegungen.

Zahlt es sich aus, Lehrlinge einzustellen? Nein werden jene denken, die sich nicht vorstellen können, welchen Beitrag hormongebeutelte 15-Jährige in einem Unternehmen leisten sollen. Ein Ja kommt von jenen, die viel mit Jugendlichen zu tun haben (oder welche daheim haben) und die wissen, dass deren Beitrag von Monat zu Monat steigt. Oder von Unternehmern, die mangels Fachkräften Aufträge ablehnen oder eine Expansion abblasen mussten.

Daher lautet die Antwort: Kurzfristig zahlt es sich nicht aus, mittelfristig schon, langfristig unbedingt.

Josef Gruber ist Chef des Fertighausunternehmens Vario-Bau. Seine Personalstrategie steht und fällt mit seinen Lehrlingen. Ausnahmslos alle machen die Doppellehre Tischler oder Zimmerer und Fertighausbauer. „Zwei Lehrberufe in vier Jahren – das verstehen schon die ganz Jungen, dass sie damit etwas aus sich machen können.“

Einer seiner Gesellen habe nach Lehrabschluss ein paar Jahre in der Produktion gearbeitet, erzählt Gruber. Dann stieg er zum Leiter der Abbundanlage auf, in der die Dachstühle hergestellt werden. Das schwierige Fachgebiet war ihm nicht genug: „Er wollte ins Büro, in die Kalkulation. Von dort aus in die Planungsabteilung. Sie leitet er jetzt seit zwei Jahren.“

Gruber bedauere zwar, in der Produktion einen guten Mann verloren zu haben. „Aber was soll's“, meint er, „jetzt leitet der nächste Geselle die Abbundanlage.“ Da sich solche Geschichten herumsprechen, hat der Fertighausbauer auch keine Nachwuchssorgen. „Es melden sich genug“, sagt er, „ich kann gar nicht alle nehmen.“

Falsch: So viele wie möglich

Über zu wenige Interessenten kann auch Ines Lochmann nicht klagen. 2013 habe das Palais Hansen Kempinski Vienna eröffnet, erzählt die Personaldirektorin. Als alles eingespielt war, holte sie Lehrlinge an Bord. Derzeit sind es 16.

„Wir könnten mehr ausbilden“, sagt Lochmann, „aber wir wollen nicht so viele wie möglich, sondern die beste Ausbildung, die möglich ist.“ Ein Ausbilder in der Küche könne sich nur um drei oder vier Schützlinge kümmern. Mehr würden einander im Weg stehen.

Lehrlinge rechneten sich immer, findet sie, „man muss sie nur richtig einsetzen“. Also nicht kopieren und Kaffee kochen schicken, sondern mehr und mehr Verantwortung übertragen. „Unsere Lehrlinge organisieren die jährliche Mitarbeiterfeier, eine Party für 150 Personen. Sie denken sich ein Motto aus, stellen das Rahmenprogramm auf die Beine, Essen und Getränke.“ Denn: „Nur so lernt man Eventmanagement.“

Um 17 Uhr muss Schluss sein

Ein Lehrling bekommt 500 bis 1300 Euro brutto im Monat. Wie viel genau, hängt vom Lehrjahr, Kollektivvertrag und Bundesland ab. Er fällt zweimal pro Woche oder geblockt aus, weil er – zwingend – die Berufsschule besuchen muss.

Keinesfalls darf ein Lehrling länger als die kollektivvertragliche Arbeitszeit (38,5 oder 40 Wochenstunden) arbeiten. Das bereitet in der Praxis manchmal Kopfzerbrechen. „Wenn die Arbeiter auf der Baustelle bis 18 Uhr arbeiten“, sagt Fertighausbauer Gruber, „und der Lehrling schon um 17 Uhr Schluss machen muss. Wie kommt er denn dann heim?“ Sein Wunsch: ein Zeitausgleich für solche Fälle.

Natürlich sei nicht verhehlt, dass nicht alle Lehrlinge nach ihrer Abschlussprüfung im Unternehmen bleiben. Manche gehen zur Konkurrenz, doch genauso viele wechseln in die andere Richtung. „Selbst wenn wir einen verlieren“, sagt Gruber, „hat es sich in seinen drei oder vier Jahren bei uns gelohnt. Dann war er kein Vorteil, aber auch kein Nachteil.“

("undefined", Print-Ausgabe, 30.01.2016)

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