Crashkurs Arbeitsrecht: Versetzung an einen ungeliebten Arbeitsplatz

Folge 3. Hans A. wurde als kaufmännischer Sachbearbeiter eingestellt. Sein Arbeitgeber versetzt ihn an einen anderen Arbeitsplatz, wo er auch andere Tätigkeiten übernehmen soll. Darf er das?

Hans A. wurde als kaufmännischer Sachbearbeiter angestellt und war bisher für die elektronische Erfassung von Kundendaten in der Abteilung Kundendienst zuständig. Sein Arbeitgeber versetzt ihn nun in die Abteilung Warenmanagement, weil dort ein weiterer Mitarbeiter benötigt wird. Hans A. soll nun die Erfassung von Lieferantendaten übernehmen, wobei ansonsten seine Tätigkeiten gleich bleiben. Hans A. will nicht in einer anderen Abteilung arbeiten und fragt sich, ob die Versetzung überhaupt zulässig ist.

Die Versetzung ist jede vom Arbeitgeber angestrebte Änderung des Arbeitsortes oder des Tätigkeitsbereichs oder beider Arbeitsbedingungen. Es ist zwischen der direktorialen und der vertragsändernden Versetzung zu unterscheiden. Erstere ist im bestehenden Arbeitsvertrag gedeckt und kann daher einseitig durch Weisung des Arbeitgebers angeordnet werden. Eine vertragsändernde Versetzung kommt hingegen nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer einer Änderung seines Arbeitsvertrages zustimmt.

Inwieweit der Arbeitgeber eine Versetzung einseitig anordnen kann, hängt in erster Linie von den Regelungen im Arbeitsvertrag ab. In Arbeitsverträgen wird sich oftmals eine Bestimmung finden, wonach der Arbeitgeber berechtigt ist, den Arbeitnehmer auch für andere als die ursprünglich vereinbarten Tätigkeiten heranzuziehen und ihn auch an einem anderen Arbeitsort zu verwenden. Sofern sich der Arbeitgeber Änderungsmöglichkeiten bereits im Arbeitsvertrag vorbehalten hat, würde eine Versetzung nur dann nicht vom Arbeitsvertrag gedeckt sein, wenn sie für den Arbeitnehmer nicht zumutbar ist.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Das Arbeitsverfassungsgesetz sieht Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei Versetzungen vor. Jede dauernde Versetzung eines Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz ist dem Betriebsrat unverzüglich mitzuteilen. Eine dauernde Versetzung liegt dann nicht vor, wenn sie voraussichtlich für weniger als 13 Wochen erfolgt. Ist mit der dauernden Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz eine Verschlechterung der Entgelt- oder der sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden, so bedarf sie zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats. Erteilt der Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung nicht, so kann sie durch Urteil des Gerichts ersetzt werden. Verschlechtern sich die Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen nicht, dann steht dem Betriebsrat nur das Recht auf Information und ein Beratungsrecht zu.

(Un)Zulässige Versetzung

Hans A. wurde als kaufmännischer Sachbearbeiter angestellt und er wird zukünftig dieselben Tätigkeiten (elektronische Datenerfassung) wie in seiner bisherigen Abteilung verrichten. Da die Versetzung in die Abteilung Warenmanagement vom Arbeitsvertrag daher gedeckt sein wird, ist sie auch zulässig. Ein allenfalls eingerichteter Betriebsrat muss der Versetzung nicht zustimmen, weil Hans A. keine Verschlechterung seiner Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen hinnehmen muss. Sofern Hans A. die zulässige Versetzung nicht akzeptiert und in der neuen Abteilung nicht arbeiten will, wird dies für ihn nachteilige Folgen haben. Er riskiert sogar, dass der Arbeitgeber die Entlassung ausspricht.

In der Praxis ist es aber nicht immer so eindeutig wie im Ausgangsfall, ob nun eine Versetzung zulässig ist oder nicht. Ein Arbeitgeber sollte sich jedenfalls bereits vor Abschluss eines Arbeitsvertrages Gedanken machen, ob die mit dem Arbeitnehmer zu vereinbarenden Regelungen derart gefasst sind, sodass sie einseitige Änderungen des Arbeitsorts und/oder des Tätigkeitsbereichs ermöglichen. Vor einer Versetzung eines Arbeitnehmers sollte sich zudem der Arbeitgeber ausreichend mit der Frage auseinandersetzen, ob die Versetzung vom Arbeitsvertrag gedeckt ist und welche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates allenfalls durch die Versetzung ausgelöst werden könnten.

(c) Felicitas Matern - feel image -

Philip Neubauer ist seit 2013 Rechtsanwalt bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung unter anderem in den Bereichen Arbeitsrecht und Prozessführung und ist Autor zahlreicher Publikationen.

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