Crashkurs Arbeitsrecht: Änderungskündigung und Verschlechterungsvereinbarung

Folge 5. Anton B. wird zum Leiter der Vertriebsabteilung befördert. Die Freude währt nur kurz. wenig später droht ihm der Geschäftsführer mit Kündigung, falls er einer Gehaltskürzung um 20 Prozent nicht zustimmt.

Der Geschäftsführer schlägt Anton B. eine sogenannte Änderungskündigung vor. Diese wird nur wirksam, wenn Anton B. die Verschlechterung ablehnt.

Ein solches „Verschlechterungsangebot“ des Arbeitgebers ist zulässig. Verträge sind zwar einzuhalten, ein allgemeines Verschlechterungsverbot gibt es aber nicht – auch nicht im Arbeitsverhältnis, wo Änderung der Arbeits- und Entgeltbedingungen einer sehr strengen Kontrolle unterliegen.

So wäre es z.B. nicht zulässig, dass der Geschäftsführer von Anton B. verlangt, auf bereits „verdiente“ Ansprüche im aufrechten Arbeitsverhältnis zu verzichten. Angenommen wird nämlich, dass ein solcher Verzicht nur deshalb erfolgt, um den eigenen Job zu retten. Der Verzicht erfolgt daher unter Druck und entspricht nicht dem wahren Willen des Verzichtenden.

Von Anton B. wird aber kein Verzicht auf bereits fällige, sondern auf künftige Ansprüche verlangt. Der Druck ist geringer, die „Drucktheorie“ greift daher nicht. Trotz 20 prozentiger Einbuße wäre Anton B. auch weiterhin überkollektivvertraglich bezahlt; er verzichtet daher auch nicht auf unverzichtbare Mindestansprüche.

Anton B. steht also vor einem Dilemma. Akzeptiert er die Kürzung, behält er zwar seinen Job, muss sich aber womöglich bei den Ausgaben etwas einschränken. Akzeptiert er nicht, ist er seinen Job los. Oder doch nicht?

Unzumutbar oder nicht?

Auch bei Änderungskündigungen greift nämlich der allgemeine Kündigungsschutz. Anton B. könnte die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anfechten, wenn die Verschlechterung für ihn unzumutbar ist. Gewinnt er den Prozess, dann ist die Änderungskündigung unwirksam und er arbeitet zu den bisherigen Bedingungen weiter.

Zu klären ist daher, ab wann diese verfahrensentscheidende Unzumutbarkeit der Verschlechterung vorliegt. Das soll immer dann der Fall sein, wenn die Annahme des Verschlechterungsangebots solche sozialen Nachteile verursacht, dass sie über das „übliche“ Ausmaß bei einer Kündigung hinausgehen.

Dabei ist die gesamte wirtschaftliche und soziale Situation zu berücksichtigen, also neben den allgemeinen Lebenshaltungskosten auch Unterhaltspflichten und ein sonstiges Einkommen (bspw. des Ehepartners).

Bei höherem Einkommen wird zwar auch ein höherer Lebensstandard zugestanden, Luxusaufwendungen bleiben aber unberücksichtigt. Ein Zweitwohnsitz ist bei einem höheren Einkommen noch kein „Luxus“.

Was ist Luxus?

Die Grenzen sind unscharf. Einige Hinweise der Rechtsprechung gibt es aber. Bei einer Einkommensminderung von bis zu ca. 20 Prozent wird bei einem durchschnittlichen Gehalt noch keine Unzumutbarkeit vorliegen. Solche kündigungstypischen Einkommensschwankungen müssen im Lauf des Arbeitslebens hingenommen werden. Bei höherem Einkommen sind noch höhere Kürzungen zu akzeptieren, wenn trotz der Kürzung nicht nur „durchschnittliche“, sondern auch darüber liegende Bedürfnisse befriedigt werden können.

Erst kürzlich wurde beispielsweise eine Reduktion des Jahresbruttoeinkommens von 115.000 Euro auf 70.000 Euro von einem Berufungsgericht als nicht sozialwidrig beurteilt, weil trotz dieser Einkommenseinbuße von 40 Prozent noch immer ein weit über dem Durchschnitt liegendes Einkommen verbleibt.

Ähnlich hatte der OGH schon vor zehn Jahren geurteilt: Ein Pilot verdiente vor der Kündigung 12.000 Euro/Monat, danach bezog er eine Pension von „nur“ 8.000 Euro/Monat. Die Lebenshaltungskosten des Piloten lagen bei ca. 2.500 Euro/Monat. Trotz der Minderung um 40 Prozent war daher klar, dass auch ein überdurchschnittlicher, höherer Lebensstandard finanzierbar blieb – keine Sozialwidrigkeit.

Anton B. ist daher eher zu raten, die Verschlechterung zu akzeptieren und nicht vor Gericht zu ziehen. Die Lösung wäre freilich eine andere, wenn er aufgrund der Kürzung und sparsamer Lebensführung etwa seinen Unterhaltspflichten nicht mehr nachkommen, oder die Kreditraten für das kürzlich errichtete Einfamilienhaus nicht mehr bedienen könnte.

Jakob Widner ist Partner bei Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien und leitet dort den Bereich Arbeitsrecht.

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