Crashkurs Arbeitsrecht: Dienstunfall mit dem privaten PKW

Folge 8. Tobias R. wird von seinem Vorgesetzten zur Jahrestagung geschickt. Er sollte mit dem Zug anreisen. Mit dem PKW ist der Tagungsort aber rascher und bequemer zu erreichen.

Kein Problem, denkt sich Tobias R. Er nimmt seinen privaten PKW. Der wird unterwegs bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Muss der Arbeitgeber den Schaden ersetzen?

Ein Arbeitnehmer wird grundsätzlich im Interesse und zum Nutzen seines Arbeitgebers tätig. Auslagen des Arbeitnehmers, die dieser im Interesse des Arbeitgebers getätigt hat, muss der Arbeitgeber ersetzen.

Daneben besteht auch noch das Risiko, dass der Arbeitnehmer einen Schaden an eigenen Sachen erleidet, wenn er sie bei seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber verwendet. Die Haftung für dieses Risiko weist der Gesetzgeber dem zu, in dessen Interesse jemand tätig wird. Der haftet, wenn sich das Risiko verwirklicht, auch dann, wenn ihn am Schaden kein Verschulden trifft.

Ausdrücklich ist dies zwar nur für die Besorgung von Geschäften geregelt (§ 1014 ABGB). Die Rechtsprechung wendet die Regelung aber auch bei bloß faktischer Tätigkeit an.

Beim privaten PKW ist für die Risikohaftung Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer den PKW im Interesse und zum Nutzen des Arbeitgebers einsetzt. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob der Arbeitgeber ohne den PKW des Arbeitnehmers ein eigenes Fahrzeug einsetzen und so das Unfallrisiko selbst tragen müsste.

Das ist etwa der Fall, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Aufgaben überträgt, die dieser ohne PKW nicht erfüllen kann. Die Rechtsprechung lässt einen lockeren Zusammenhang genügen, sofern der Arbeitnehmer für die Verrichtung Arbeitszeit gutgeschrieben erhält. So durfte ein Arbeitnehmer den Auftrag seines Vorgesetzten, unterwegs eine private Besorgung für den Arbeitgeber zu erledigen, als dienstliche Weisung verstehen und der Arbeitgeber haftete für den dabei entstandenen Unfallschaden.

Der tägliche Arbeitsweg ist eigenes Risiko

Benützt ein Arbeitnehmer seinen PKW nur zur persönlichen Erleichterung der Arbeit, dann trägt der Arbeitgeber das Unfallrisiko hingegen nicht. Unfälle, die sich auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause ereignen, gehören grundsätzlich nicht zur Risikosphäre des Arbeitgebers.

Eine weitere Haftungsvoraussetzung ist, dass sich der Schaden nicht bloß gelegentlich der Arbeitsverrichtung ereignet, sondern dem Betriebsrisiko entspricht. Kommt es beim Betrieb eines PKW zu einem Verkehrsunfall, verwirklicht sich ein typisches Betriebsrisiko. Lässt hingegen jemand die Luft aus den Reifen des abgestellten PKWs, ist dies nicht der Fall.

Ist der Arbeitnehmer am Schaden an seinem PKW schuld, ist das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz anzuwenden. Diese sieht vor, dass der Ersatzanspruch für den Schaden, den ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zufügt, vom Richter gemäßigt oder ganz erlassen werden kann. Im Ergebnis muss der Arbeitnehmer bei eigenem Verschulden daher einen Teil des Schadens selbst tragen. In welchem Umfang die Schadenersatzpflicht erlassen wird, hängt vom Verschuldensgrad des Arbeitnehmers ab.

Tobias R. ist mit seinem PKW zwar zu der Tagung gefahren, zu der er von seinem Arbeitgeber geschickt worden ist; er hätte dafür aber den Zug nehmen sollen. Dass der Tagungsort etwas schneller und bequemer mit dem PKW zu erreichen war, hat dem Arbeitgeber keinen erheblichen Nutzen gebracht. Damit ist das Unfallrisiko im Bereich von Tobias R. verblieben; sein Arbeitgeber muss den Schaden nicht ersetzen.

Kurt Wratzfeld ist Partner bei der Kanzlei Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung in den Bereichen Arbeitsrecht, Prozessführung, Betriebspensionsrecht und allgemeines Zivilrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikationen.

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