Crashkurs Arbeitsrecht: Verschleierungsverbot am Arbeitsplatz (2/2)

Folge 18: Die Notariatsangestellte Seham E. wird wegen des Tragens von Hijab und Abaya im Klientenkontakt eingeschränkt und weniger oft als Testamentszeugin eingesetzt als ihre Arbeitskollegen.

Als sie ihrem Arbeitgeber ankündigt, in Zukunft auch mit einem islamischen Gesichtsschleier (Niqab) zu arbeiten, entgegnete dieser mittels Email, dass dieses „Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und „Vermummung“ nicht mit einer Tätigkeit als Notariatsangestellte vereinbar sei.

Drohen dem Arbeitgeber Konsequenzen nach dem Gleichbehandlungsgesetz?

1. Abänderung der Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmerin wegen des Tragens von Hijab und Abaya

Eine solche Abänderung des Tätigkeitsbereichs stellt in der Regel eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion hinsichtlich der sonstigen Arbeitsbedingungen dar.
Eine Rechtfertigung von Seiten des Arbeitgebers kann insbesondere bei Unternehmen mit bestimmten zwingenden Hygienebestimmungen (z.B. Krankenhäuser, Lebensmittelproduktion), bei Tätigkeiten, die ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild zwingend vorschreiben (z.B. Model, Schauspieler, Stewardess) oder aufgrund von Arbeitnehmerschutzbestimmungen (z.B. Verletzungsgefahr an Maschinen durch Hängenbleiben) gegeben sein.

Die Rechtsprechung geht bei der Annahme eines solchen Rechtfertigungsgrundes aber eher restriktiv vor.

Im gegenständlichen Fall wurde Seham E. wegen des Tragens des islamischen Kopftuches und der Abaya im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern des Beklagten im Klientenkontakt und bei der Ausübung der Tätigkeit als Testamentszeugin unmittelbar diskriminiert. Zumal keine taugliche Rechtfertigung vorliegt, steht Seham E. dafür Schadenersatz nach dem GlBG für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zu.

2. Diskriminierende Emails im Zusammenhang mit religiöser Kleidung

Abfällige Bemerkungen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Religion können ebenfalls schadenersatzpflichtig machen. So liegt insbesondere dann eine Diskriminierung vor, wenn der Arbeitgeber eine unerwünschte Verhaltensweise setzt, die die Würde der betroffenen Person verletzt oder für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und dadurch ein einschüchterndes, feindseliges, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person geschaffen wird oder dies bezweckt.

Im konkreten Fall stellen Emails des Arbeitgebers, in denen das Auftreten der Seham E. als „Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ bzw. als „Vermummung“ bezeichnet wurde, eine gegenüber einer Muslima negativ besetzte und diese im Hinblick auf die sonstigen Arbeitsbedingungen diskriminierende Bemerkung dar, die zur Schadenersatzpflicht nach dem Gleichbehandlungsgesetz führt.

Selbst wenn daher eine Rechtfertigung im Sinne des GlBG für die diesbezüglichen Anordnungen des Arbeitgebers vorliegt, ist es Arbeitgebern anzuraten, stets eine sachliche und in keinster Weise diskriminierende Wortwahl zu wählen.


Teil 1 dieser Causa erschien am 28. September.


Doris Braun ist seit 2000 Partnerin und geschäftsführende Gesellschafterin bei der Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind Arbeits- und Sozialrecht sowie Streitführung.

Alle bisher erschienenen Beiträge des "Crashkurs Arbeitsrecht" finden Sie hier.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Crashkurs Arbeitsrecht

Corona: Kann ich zu Hause bleiben, um mein Kind zu betreuen?

Folge 75. Claudia K., Angestellte und Mutter, hat viele Fragen. Die drängendste: Kann sie daheim bleiben, wenn die Schulen geschlossen werden? Mit Update nach den Informationen der Bundesregierung zum 12. März.
Crashkurs Arbeitsrecht

Sturmfrei

Folge 74. Ihm flögen gerade die Schindeln vom Dach, schreibt ein Bregenzerwälder. Schon in der Früh war nicht daran zu denken, in die Arbeit zu fahren. Sieht das sein Arbeitgeber genauso?
Crashkurs Arbeitsrecht

Arbeitsunfall bei einer (sportlichen) Firmenveranstaltung?

Folge 73. Michael H. ist Angestellter in einem Planungsbüro. Die Geschäftsführung veranstaltet jedes Jahr ein Fußballturnier außerhalb der Arbeitszeit, bei dem alle Arbeitnehmer zur Teilnahme eingeladen werden. Das soll den Zusammenhalt der Belegschaft stärken und einen Ausgleich zur Bürotätigkeit bieten. Sogar der Chef nimmt jedes Jahr teil, um seinen besonderen Ehrgeiz zu zeigen. Beim Aufwärmen verletzt sich Michael H. am Knie. Im Krankenhaus fragt er sich, ob ein Arbeitsunfall vorliegt.
Crashkurs Arbeitsrecht

Kann ich meinen Papamonat durchsetzen, wenn der Dienstgeber nicht begeistert ist?

Folge 72. Lukas F. und seine Lebensgefährtin erwarten ihr erstes gemeinsames Kind mit errechnetem Geburtstermin am 14. Februar 2020. Lukas F. möchte jedenfalls den Papamonat in Anspruch nehmen. Von Arbeitskollegen weiß er jedoch, dass sein Dienstgeber den nicht „genehmigen“ wolle und Gerüchten zufolge sogar mit Kündigung drohe. Lukas F. kann es sich nicht leisten kann, seinen Job zu verlieren. Nun fragt er sich einerseits, wie hoch das Risiko einer Dienstgeber‑Kündigung ist und andererseits, ob es finanzielle Unterstützung während des Papamonats gibt.
Crashkurs Arbeitsrecht

Crashkurs Arbeitsrecht: Kündigung im fortgeschrittenen Alter – was nun?

Folge 71. Herbert M. ist langjähriger Mitarbeiter eines Unternehmens. Kurz vor seinem 58. Geburtstag bekommt er zuerst einen jüngeren Kollegen und wird dann überraschend gekündigt. Er weiß, dass er in seinem Alter schwer etwas Neues finden wird und fragt sich, welche arbeitsrechtlichen Schritte er unternehmen kann.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.