Folge 18: Die Notariatsangestellte Seham E. wird wegen des Tragens von Hijab und Abaya im Klientenkontakt eingeschränkt und weniger oft als Testamentszeugin eingesetzt als ihre Arbeitskollegen.
Als sie ihrem Arbeitgeber ankündigt, in Zukunft auch mit einem islamischen Gesichtsschleier (Niqab) zu arbeiten, entgegnete dieser mittels Email, dass dieses „Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und „Vermummung“ nicht mit einer Tätigkeit als Notariatsangestellte vereinbar sei.
Drohen dem Arbeitgeber Konsequenzen nach dem Gleichbehandlungsgesetz?
1. Abänderung der Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmerin wegen des Tragens von Hijab und Abaya
Eine solche Abänderung des Tätigkeitsbereichs stellt in der Regel eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion hinsichtlich der sonstigen Arbeitsbedingungen dar.
Eine Rechtfertigung von Seiten des Arbeitgebers kann insbesondere bei Unternehmen mit bestimmten zwingenden Hygienebestimmungen (z.B. Krankenhäuser, Lebensmittelproduktion), bei Tätigkeiten, die ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild zwingend vorschreiben (z.B. Model, Schauspieler, Stewardess) oder aufgrund von Arbeitnehmerschutzbestimmungen (z.B. Verletzungsgefahr an Maschinen durch Hängenbleiben) gegeben sein.
Die Rechtsprechung geht bei der Annahme eines solchen Rechtfertigungsgrundes aber eher restriktiv vor.
Im gegenständlichen Fall wurde Seham E. wegen des Tragens des islamischen Kopftuches und der Abaya im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern des Beklagten im Klientenkontakt und bei der Ausübung der Tätigkeit als Testamentszeugin unmittelbar diskriminiert. Zumal keine taugliche Rechtfertigung vorliegt, steht Seham E. dafür Schadenersatz nach dem GlBG für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zu.
2. Diskriminierende Emails im Zusammenhang mit religiöser Kleidung
Abfällige Bemerkungen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Religion können ebenfalls schadenersatzpflichtig machen. So liegt insbesondere dann eine Diskriminierung vor, wenn der Arbeitgeber eine unerwünschte Verhaltensweise setzt, die die Würde der betroffenen Person verletzt oder für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und dadurch ein einschüchterndes, feindseliges, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person geschaffen wird oder dies bezweckt.
Im konkreten Fall stellen Emails des Arbeitgebers, in denen das Auftreten der Seham E. als „Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ bzw. als „Vermummung“ bezeichnet wurde, eine gegenüber einer Muslima negativ besetzte und diese im Hinblick auf die sonstigen Arbeitsbedingungen diskriminierende Bemerkung dar, die zur Schadenersatzpflicht nach dem Gleichbehandlungsgesetz führt.
Selbst wenn daher eine Rechtfertigung im Sinne des GlBG für die diesbezüglichen Anordnungen des Arbeitgebers vorliegt, ist es Arbeitgebern anzuraten, stets eine sachliche und in keinster Weise diskriminierende Wortwahl zu wählen.
Teil 1 dieser Causa erschien am 28. September.
Doris Braun ist seit 2000 Partnerin und geschäftsführende Gesellschafterin bei der Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind Arbeits- und Sozialrecht sowie Streitführung.
Alle bisher erschienenen Beiträge des "Crashkurs Arbeitsrecht" finden Sie hier.