Folge 26. Thomas K. lernt für die Steuerberater-Prüfung, seine Freundin für ihr Studium. Sie bekommt Weiterbildungsgeld vom AMS, er nicht. Warum?
Thomas K. arbeitet seit ein paar Jahren in einer Wirtschaftsprüfungskanzlei. Er will Steuerberater werden und sich auf die Steuerberater-Prüfung vorbereiten. Mit seinem Dienstgeber vereinbart er daher eine dreimonatige Bildungsfreistellung. Seine Freundin will währenddessen ihr Studium vorantreiben und vereinbart mit ihrem Dienstgeber eine sechsmonatige Bildungsteilzeit. Vom AMS erhält sie für den Einkommensausfall ein Bildungsteilzeitgeld. Die Auszahlung von Weiterbildungsgeld an Thomas K. wird vom AMS allerdings verweigert.
Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann – gegen Entfall des Entgelts – Bildungskarenz vereinbart werden, sofern das Dienstverhältnis zumindest schon sechs Monate gedauert hat. Die Bildungskarenz muss mindestens zwei Monate betragen, die Höchstdauer ist ein Jahr. Während eines Zeitraumes von vier Jahren kann die Bildungskarenz auch in Teilen verbraucht werden, solange ein Teil zumindest zwei Monate beträgt und die Höchstdauer von einem Jahr nicht überschritten wird.
Ein Rechtsanspruch auf Bildungskarenz besteht nicht, der Arbeitnehmer ist daher darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber die Weiterbildung fördern will und einer Karenzierungsvereinbarung zustimmt.
Ähnlich verhält es sich mit der Bildungsteilzeit. Sie soll die Weiterbildung berufsbegleitend ermöglichen. Die Mindestdauer beträgt hier allerdings vier Monate, die Maximaldauer zwei Jahre. Auch hier gilt die Möglichkeit von mehreren „Bildungsblocks“ während einer Rahmenfrist von vier Jahren. Die (bisherige) Normalarbeitszeit muss während der Bildungsteilzeit um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte herabgesetzt werden und muss jedenfalls zehn Stunden/Woche betragen.
Bildungskarenz und Bildungsteilzeit dienen der Weiterbildung. Arbeitnehmer müssen diese Förderungsmaßnahmen daher auch für die Weiterbildung nutzen. Verbringt Thomas K. statt dreier lernreicher Monate lieber einen ausgedehnten Urlaub in Indien, droht ihm daher die Entlassung.
Der Nachweis von konkreten Weiterbildungsmaßnahmen ist auch für den Bezug von Weiterbildungsgeld (Bildungskarenz) und Bildungsteilzeitgeld (Bildungsteilzeit) durch das AMS notwendig. Grundsätzlich kommt jede Weiterbildungsmaßnahme in Betracht, die geeignet ist, die Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Bei Betreiben eines Studiums muss ein Erfolgsnachweis über die Ablegung von Prüfungen im Umfang von vier Semesterwochenstunden bzw. acht ECTS-Punkten, oder ein anderer Erfolgsnachweis erbracht werden (beispielsweise erfolgreiche Ablegung einer Diplomprüfung oder Nachweis über Fortschritt einer Abschlussarbeit, beispielsweise Dissertation).
Die Lernzeit zur Prüfungsvorbereitung (Selbststudium) ist jedoch keine Weiterbildungsmaßnahme, wie der Verwaltungsgerichtshof kürzlich betreffend die Rechtsanwaltsprüfung klarstellte.
Während Thomas K. also zum Pauken für die Steuerberaterprüfung kein Weiterbildungsgeld erhält, genügt für seine Freundin der Nachweis der Semesterwochenstunden bzw. ECTS-Punkte, um in den Genuss von Bildungsteilzeitgeld zu kommen. Dass Thomas K. die Steuerberater-Prüfung dann mit Auszeichnung besteht und daher am Arbeitsmarkt bessere Chancen hat, während seine Freundin das Studium letztlich doch nicht beendet und ihre Arbeitsmarktchancen unverändert bleiben, spielt dabei erstaunlicherweise keine Rolle.
Jakob Widner ist Partner bei Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien und leitet dort den Bereich Arbeitsrecht.
Alle bisher erschienenen Beiträge des "Crashkurs Arbeitsrecht" finden Sie hier.