Crashkurs Arbeitsrecht: Was ist Mobbing?

Folge 27. „Das ist ja Mobbing!“ ist ein häufiger Vorwurf. Dabei gibt es nicht einmal eine allgemein anerkannte Definition. Grund genug, Mobbing in der Arbeitswelt näher zu beleuchten.

Vorweg, noch bevor geklärt ist, welches Verhalten gemeint ist, lässt sich sagen, das Mobbing rechtswidrig ist. Der Grund dafür ist, dass es die Würde des Menschen und damit die bereits im Allgemeinem Bürgerliches Gesetzbuch verbrieften Persönlichkeitsrechte verletzt. Damit ist aber auch schon gesagt, dass Mobben ein zielgerichtetes tiefgreifendes Fehlverhalten gegen einen rechtlichen Grundwert beschreibt, das klar von anderen Konfliktsituationen zu unterscheiden ist, die diese (negative) Qualität nicht erreichen.

Der Gesetzgeber hat keinen eigenen Mobbingtatbestand geschaffen. Aber er hat in einigen Bestimmungen Verhaltensweisen beschrieben, die verboten sind und Teil von Mobbing sein können. Dabei ist insbesondere an das Verbot der (sexuellen) Belästigung im Rahmen des Gleichbehandlungsgesetzes zu denken. Vereinfacht gesagt, ist eine Belästigung eine unerwünschte, diskriminierende Verhaltensweise, die die Würde des Betroffenen verletzt, für diesen unerwünscht oder gar anstößig ist und für ihn ein feindseliges oder demütigendes Umfeld schafft. Selbstredend bleibt das Verhalten auch dann eine Belästigung, wenn der Belästiger im konkreten Fall sein Ziel nicht erreicht.

Die Rechtsprechung hat ihrerseits in einigen Entscheidungen umrissen, wann eine Mobbingsituation vorliegt. Demnach handelt es sich dabei um eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist.

Die angegriffene Person wird dabei systematisch, oftmalig und während längerer Zeit angegriffen. Das Ziel oder der Effekt dieser direkten oder indirekten Angriffe ist der Ausstoß aus dem Arbeitsverhältnis bzw die Ausgrenzung.

Die Bandbreite konkreter Mobbinghandlungen ist weitgehend offen. Prominente Beispiele für Mobbing sind

  • die Verbreitung von Gerüchten und Unwahrheiten,
  • andauernde Sticheleien und Hänseleien,
  • der Informationsausschluss bzw –verweigerung,
  • die Ausgrenzung und Isolation,
  • die falsche Bewertung von Arbeitsleistungen,
  • die massive und ungerechtfertigte Kritik an der Arbeit,
  • der Entzug von Arbeit,
  • die Herabwürdigung von Fachkenntnissen, die Arbeitsbehinderung,
  • ungerechtfertigtes Bezichtigen der Lüge,
  • das Erteilen von sinnlosen oder überflüssigen Weisungen und
  • wiederholtes Umstoßen oder Leugnen getroffener Abmachungen.

Bei der Einstufung einer Verhaltensweise als Mobbing sind stets die äußeren Umstände zu berücksichtigen. Liegt ein Ungleichgewicht im Kräfteverhältnis zwischen dem Gemobbten und dem Mobber vor, ist dies ein Indiz für mobbingartiges Verhalten. Die Stellung der jeweiligen Akteure in dem Unternehmen, die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder die Beliebtheit bei den übrigen Kollegen können Rückschlüsse auf das Kräfteverhältnis geben. Wenn mehrere Arbeitskollegen gegen einen Betroffenen sticheln, dann sind die Angreifer schon wegen ihrer Überzahl im Vorteil.

Außerdem muss eine gewisse Häufigkeit der Vorfälle gegeben sein. Ein einmaliger Angriff reicht wohl kaum aus, um eine Ausgrenzung des Gemobbten zu erreichen.

Wie kommt nun der Arbeitgeber ins Spiel?

Der Arbeitsvertrag regelt nicht nur die Hauptleistungspflichten - Geld gegen Arbeit – sondern bringt auch Nebenpflichten mit sich, die allgemein als die Verpflichtung umschrieben werden kann, die berechtigten Interessen des anderen Vertragspartners zu wahren. Auf Seiten des Arbeitgebers wird diese Interessenwahrungspflicht häufig als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bezeichnet. Die Fürsorgepflicht ist weit gefasst und schließt den Schutz der Gesundheit und der Würde des Arbeitnehmers mit ein.

Damit ein Arbeitgeber Maßnahmen setzen kann, muss er von den Vorfällen wissen. Das Mobbingopfer kann dabei selbst Maßnahmen setzen, um seinem Arbeitgeber den Ernst der Situation vor Augen zu führen, indem er den Zeitpunkt und Hergang von konkreten Vorfällen dokumentiert. Empfehlenswert ist hierbei das Führen eines Mobbing-Tagebuches. Zudem kann mit Freunden und außenstehenden Arbeitskollegen über konkrete Situationen gesprochen werden. Dies kann einerseits eine moralische Stütze für den Gemobbten darstellen und andererseits wichtig für die Aufklärung konkreter Vorfälle mit dem Arbeitgeber sein.

Sollte der Arbeitgeber Kenntnis von Verhaltensweisen erlangen, die auf Mobbing hindeuten, so liegt es bei ihm, geeignete Maßnahmen zu setzen, um den Sachverhalt aufzuklären und gegebenenfalls ein Fehlverhalten zu unterbinden. Ein schlichtendes Gespräch zwischen den Streitparteien kann ausreichen, um dies zu erreichen.

Sollten sich die Fronten hingegen verhärtet haben, so kann auch eine Versetzung oder schlimmstenfalls die Auflösung des Arbeitsverhältnisses des mobbenden Arbeitnehmers geeignet sein, um wieder harmonische Verhältnisse zu schaffen. Gleichzeitig kann mit der adäquaten Wahl der jeweiligen Maßnahme ein klares Statement gegenüber den übrigen Arbeitnehmern gesetzt werden, nämlich, dass Mobbing nicht akzeptiert wird.

Ein Mobbingopfer kann vom Arbeitgeber Schutz vor ungerechtfertigten Angriffen verlangen; die Wahl der Mittel bleibt dem Arbeitgeber überlassen. Den Kopf in den Sand zu stecken sollte er jedenfalls nicht: „Lassen Sie mich damit in Ruhe“ oder „Machen Sie sich das bitte untereinander aus“, wären keine angemessenen Reaktionen, wenn es tatsächlich zu Mobbing gekommen sein sollte.

Kurt Wratzfeld ist Partner bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung in den Bereichen Arbeitsrecht, Prozessführung, Betriebspensionsrecht und allgemeines Zivilrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikationen.

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