Crashkurs Arbeitsrecht: Recht auf Zeitausgleich im Sommerloch?

Folge 39. Lukas R. ist Sales-Mitarbeiter und arbeitet in einem Handelsunternehmen auf Vollzeitbasis. Da viele Kunden im Sommer auf Urlaub sind, möchte Lukas R. wöchentlich einen Zeitausgleichs-Tag nehmen. Geht das?

Zeitausgleich ist nichts anderes als bezahlte Freizeit und stellt eine Möglichkeit der Abgeltung von Überstundenarbeit oder Mehrarbeit dar (letztere liegt zum Beispiel vor, wenn Teilzeitbeschäftigte mehr als vereinbart arbeiten). Damit Zeitausgleich im gewünschten Ausmaß konsumiert werden kann, müssen in der Vergangenheit also ausreichend Überstunden oder Mehrarbeit geleistet worden sein. Überstunden- bzw. Mehrarbeit ist allerdings grundsätzlich in Geld abzugelten, und zwar mit einem entsprechenden Zuschlag (generell 50 Prozent bei Überstunden und 25 Prozent bei Mehrarbeit). Die Abgeltung durch Zeitausgleich anstelle einer Barzahlung ist nur möglich, falls dies zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart wird. Auch bei Zeitausgleich gelten die genannten Zuschläge (eben nicht in Geld, sondern in bezahlter Freizeit).

Wenn also nichts anderes vereinbart ist, hat Lukas R. für seine geleisteten Überstunden nur einen Anspruch auf eine Geldzahlung, nicht aber auf Zeitausgleich. Gleiches gilt natürlich für den Arbeitgeber von Lukas R. – auch er kann mangels anderslautender Vereinbarung von Lukas R. nicht verlangen, dass er Zeitausgleich konsumiert, sondern muss seine Überstunden in bar abfinden.

Alternative Gestaltungsvarianten

Eines sei an dieser Stelle schon mal verraten: Lukas R. hat in unserem Beispiel in der Vergangenheit mit seinem Arbeitgeber keine Zeitausgleichs-Vereinbarung getroffen. Damit ist aber noch nichts verloren. Lukas R. kann mit seinem Arbeitgeber nämlich auch „spontan“ eine Vereinbarung treffen, wonach im Sommer die Überstunden durch Zeitausgleich kompensiert werden. Daneben besteht sogar die Möglichkeit, dass die Abgeltung von Überstunden durch Zeitausgleich in einer Betriebsvereinbarung oder einem Kollektivvertrag vorgesehen wird.

In unserem Fall gibt es im Betrieb von Lukas R. allerdings keinen Betriebsrat (eine Zeitausgleichs-Betriebsvereinbarung scheidet also aus). Dazu kommt, dass der auf Lukas R. anwendbare Handels-Kollektivvertrag keine Regelung enthält, wonach Überstunden in Form von Zeitausgleich abzugelten sind. Es bleibt Lukas R. also nur die „spontane“ Zeitausgleichs-Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber. Formvorschriften gibt es für eine solche Vereinbarung keine, sie kann also schriftlich oder mündlich abgeschlossen werden (wobei Schriftlichkeit aus Beweisgründen zu empfehlen ist). Ist sein Arbeitgeber zu einer solchen Vereinbarung nicht bereit und konsumiert Lukas R. dennoch Zeitausgleich, riskiert er arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entlassung.

Vereinbarung über den konkreten Zeitpunkt

Auch wenn Lukas R. mit seinem Arbeitgeber – entweder in der Vergangenheit oder „spontan“ - vereinbart hat, dass Überstunden grundsätzlich in Form von Zeitausgleich abzugelten sind oder eine Betriebsvereinbarung zur Abgeltungsfrage bestünde, reicht dies alleine nicht aus. Zusätzlich muss nämlich der konkrete Zeitpunkt des Zeitausgleichs vereinbart werden. Wenn Lukas R. im Sommer also einmal pro Woche Zeitausgleich konsumieren will, muss er die konkreten freien Tage jeweils im Voraus mit seinem Arbeitgeber vereinbaren.

Einseitiger Konsum von Zeitausgleich?

Falls sich Arbeitgeber und Arbeitgeber nicht binnen sechs Monaten auf den konkreten Zeitpunkt des Zeitausgleich einigen, kann der Arbeitnehmer den Zeitpunkt mit einer Vorankündigungsfrist von vier Wochen einseitig bestimmen. Dieses Recht besteht allerdings nur, soweit nicht zwingende betriebliche Erfordernisse dem entgegenstehen (diese würden zB vorliegen, wenn gerade die Dienste des Arbeitnehmers im fraglichen Zeitraum unentbehrlich sind). Alternativ dazu kann der Arbeitnehmer eine Abgeltung in Geld verlangen. Für Lukas R. ist diese Regelung allerdings nicht besonders brauchbar, da er die 4-wöchige Vorankündigungsfrist beachten müsste (der einseitige Konsum im Sommer wäre also nur begrenzt möglich) und er ohnehin eine „spontane“ Zeitausgleichsvereinbarung schließen muss (und diese sollte bereits die freien Tagen datumsmäßig regeln).

Fazit

Für diesen Sommer ist Lukas R. darauf angewiesen, dass sein Arbeitgeber dem Zeitausgleich an den von ihm gewünschten Wochentagen zustimmt. Für den nächsten Sommer ist es ratsam, vorweg klare Regeln zum Zeitausgleich zu treffen. Dadurch spart das Unternehmen effektiv Personalkosten (die Barabfindung von Überstunden entfällt nämlich), und Mitarbeiter freuen sich über bezahlte Freizeit.

(c) Franz Pfluegl 2017 Fotostudio Pfluegl

Philipp Maier ist Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Baker McKenzie und spezialisiert auf das Arbeitsrecht. Er berät insbesonders zu Transformationsprozessen, Arbeitszeitmodellen, Post Merger Integration und internationalen Entsendungen. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und Vortragender im Arbeitsrecht.

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