Folge 47. Markus A. ist Techniker in einem IT-Unternehmen und ist mit dem im Dienstvertrag vereinbarten Gehalt unzufrieden. Welche rechtlichen Mindeststandards gibt es?
Grundsätzlich ist die Höhe des Gehalts eine Sache der Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Allerdings darf der „Mindestlohn“ nicht unterschritten werden. Eine Unterschreitung des Mindestlohns kann nicht nur zu Nachzahlungspflichten des Arbeitgebers gegenüber Mitarbeitern führen, sondern auch zu Verwaltungsstrafen. So sieht das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) sehr hohe Strafen für die Unterschreitung des Mindestlohns, also eine „Unterentlohnung“, vor.
Der Kollektivvertrag gibt Aufschluss
In Österreich gibt es (noch) keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Stattdessen sind die Mindestlöhne in Kollektivverträgen geregelt. Kollektivverträge gibt es für fast jede Branche (z.B. Handel, Baugewerbe, IT-Sektor, Industrie), und in diesen sind jeweils unterschiedliche Mindestlöhne vorgesehen. Diese weichen höhenmäßig teilweise erheblich voneinander ab. So sieht etwa der IT-Kollektivvertrag weit höhere Mindestlöhne als der Handels-Kollektivvertrag vor. Die konkrete Höhe des kollektivvertraglichen Mindestlohns hängt von der Art der Tätigkeit und den Vordienstzeiten eines Mitarbeiters ab. Je verantwortungsvoller und komplexer die Position eines Mitarbeiters ist und je mehr Dienstjahre er hat, desto höher ist der Mindestlohn. Zusätzlich zum Mindestlohn haben Mitarbeiter einen zwingenden Anspruch auf andere kollektivvertraglichen Leistungen wie Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld), Zulagen und Zuschläge (zB für Überstunden).
Für Markus A. gilt aufgrund seiner Tätigkeit in einem IT-Unternehmen der IT-Kollektivvertrag. Um also herauszufinden, welche Mindestvergütung ihm zusteht, muss er in einem ersten Schritt den Vertrag prüfen und herausfinden, welchen Mindestlohn dieser Kollektivvertrag aufgrund seiner Position und seiner Vordienstzeiten vorsieht und welche Sonderzahlungen, Zulagen und Zuschläge zur Anwendung kommen.
Mindestvergütung durch Gleichbehandlung
Die rechtlichen Mindestansprüche von Mitarbeitern enden aber nicht bei den kollektivvertraglichen Mindeststandards. Zwar ist die Entgelthöhe abseits dieser Standards an sich Verhandlungssache. Mitarbeiter können sich bei der Entlohnung allerdings auch auf den „arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz“ berufen. Dieser besagt, dass ein Mitarbeiter nicht aus „sachfremden“ Gründen weniger verdienen darf als vergleichbare Mitarbeiter im gleichen Unternehmen. Relevant ist dieser Grundsatz z.B. bei Prämien, Boni, Provisionen oder einem anderen überkollektivvertraglichen Entgelt, das in einem Unternehmen für eine bestimmte Position oder bestimmte Leistungen bezahlt wird. Eine unterschiedliche Behandlung ist nur dann zulässig, wenn sich Mitarbeiter in ihrer Ausbildung, Berufserfahrung oder ihrem Verantwortungsbereich voneinander unterscheiden. Letztlich kann ein Mitarbeiter somit über den Umweg des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Anhebung seiner Vergütung an eine höhere, für eine bestimmte Tätigkeit im Betrieb bezahlte (Mindest-)Vergütung erreichen.
Wenn es im Unternehmen von Markus A. somit andere Mitarbeiter geben würde, die genau die gleiche Tätigkeit verrichten und die gleiche Ausbildung und Berufserfahrung haben wie Markus A., allerdings zB einen höheren Bonus als Markus A. kassieren, könnte darin ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz liegen. In diesem Fall hätte Markus A. gegen seinen Arbeitgeber Nachzahlungsansprüche, die innerhalb einer dreijährigen Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht werden müssen.
Sollte sich der Arbeitgeber von Markus A. bei der Entlohnung im rechtlichen Rahmen (kollektivvertragliches Mindestentgelt, keine unsachliche Ungleichbehandlung und keine Diskriminierung) bewegen, hat Markus A. zumindest aus rechtlicher Sicht keinen Anspruch auf ein höheres Entgelt. Ein höheres Entgelt müsste er in „klassischer Weise“ über geschickte Gehaltsverhandlungen erreichen.
Übrigens: Um die kollektivvertraglichen Mindestlöhne zu vereinheitlichen, haben sich die Sozialpartner dieses Jahr darauf geeinigt, bis zum Jahr 2020 in allen Kollektivverträgen einen Mindestlohn von EUR 1.500 vorzusehen. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. wann dieser Mindestlohn tatsächlich in die bestehenden Kollektivverträge Eingang findet.
Philipp Maier ist Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Baker McKenzie und spezialisiert auf das Arbeitsrecht. Er berät insbesonders zu Transformationsprozessen, Arbeitszeitmodellen, Post Merger Integration und internationalen Entsendungen. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und Vortragender im Arbeitsrecht.