Crashkurs Arbeitsrecht: Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel

Folge 50. Karin M. möchte nach 23 Jahren im selben Unternehmen den Arbeitgeber wechseln. Was passiert mit ihrem Urlaubsanspruch und welche Rolle spielt dabei ihre Dienstzeit?

Urlaubstage, die bis zur Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht konsumiert wurden (also „offen“ sind) müssen in Form einer sogenannten Urlaubsersatzleistung – also einer Geldzahlung – abgegolten werden. Diese Zahlung ist vom Arbeitgeber im Rahmen der Endabrechnung des Dienstverhältnisses zu leisten. Eine Urlaubsersatzleistung steht freilich nur für Urlaubsansprüche zu, die noch nicht verjährt sind. Eine Verjährung von Urlaubsansprüchen tritt generell nach drei Jahren ein. Bei der Berechnung der Urlaubsersatzleistung ist das im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses bezogene Entgelt maßgeblich (inklusive Sonderzahlungen).

Auf dieser Basis ist dann auszurechnen, wieviel Entgelt ein Mitarbeiter für einen Arbeitstag pro Monat bekommen würde (dies erfolgt dadurch, dass das Monatsentgelt durch 26 dividiert wird). Dieser Tagesbetrag ist dann mit der Anzahl der offenen Urlaubstage zu multiplizieren. Beispiel bei Monatsentgelt von EUR 2.600 und 8 offenen Urlaubstagen: EUR 2.600 : 26 x 8 = EUR 800 Urlaubsersatzleistung.

Besonderheiten bei Entlassung und Austritt

Falls ein Mitarbeiter ohne wichtigen Grund vorzeitig (d.h. unverzüglich) das Dienstverhältnis beendet, steht für das laufende Urlaubsjahr keine Urlaubsersatzleistung zu. Interessant dabei ist, dass eine gerechtfertigte, d.h. auf einem wichtigen Grund beruhende Entlassung, den Anspruch auf eine Urlaubsersatzleistung nicht ausschließt.
Eine Sonderregelung gibt es auch dann, wenn ein Mitarbeiter im Jahr der Beendigung des Dienstverhältnisses mehr Urlaub verbraucht als ihm in diesem Jahr gesetzlich zusteht. Dies könnte zB dann eintreten, wenn das letzte Urlaubsjahr aufgrund der Beendigung nur 6 Monate dauert, der Mitarbeiter also nur Anspruch auf 15 Urlaubstage hat, er aber 20 Urlaubstage verbraucht. In diesem Fall muss der Mitarbeiter das Entgelt, das er während des zu viel konsumierten Urlaubes bezogen hat (im Beispiel 5 Tage), bei Beendigung des Dienstverhältnisses grundsätzlich nicht (!) an den Arbeitgeber zurückbezahlen.

Eine Ausnahme besteht allerdings bei einem unberechtigten vorzeitigen Austritt durch den Mitarbeiter oder einer verschuldeten Entlassung. In diesen Fällen trifft den Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber eine Pflicht, dieses Entgelt zurückzubezahlen. In der Praxis wird diese Situation dadurch gelöst, dass der zurückzubezahlende Betrag bei der Endabrechnung des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber einbehalten wird.

Berücksichtigung von Vordienstzeiten?

Bei einem Arbeitgeberwechsel stellt sich auch die Frage, ob Dienstzeiten aus der Vergangenheit für künftige Urlaubsansprüche relevant sind. Nach einer Dienstzeit von 25 Jahren erhöht sich der jährliche Urlaubsanspruch, nämlich von 30 auf 36 Werktage (d.h. von fünf auf sechs Wochen). Falls sämtliche Vordienstzeiten zu diesem Zweck berücksichtigt werden würden, würde dies im Fall von Karin M. bedeuten, dass sie bereits nach zwei Jahren beim neuen Arbeitgeber einen jährlichen Urlaubsanspruch von sechs Wochen hätte. Die gute Nachricht für Karin M. ist, dass laut Urlaubsgesetz Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind. Die schlechte Nachricht ist, dass diese nur in einem begrenzten Ausmaß für das (erhöhte) Urlaubsausmaß von 36 Werktagen berücksichtigt werden können, nämlich nur bis zu einem Höchstausmaß von fünf Jahren.

Zusätzlich zu diesen Vordienstzeiten sind Schulzeiten bis zu einem Ausmaß von weiteren zwei Jahren anzurechnen. Falls ein Mitarbeiter ein abgeschlossenes Hochschulstudium mit Erfolg abgeschlossen hat, werden diesbezügliche Studienzeiten sogar bis zum Höchstausmaß von fünf Jahren berücksichtigt.

Fazit

Offene und unverjährte Urlaubsansprüche aus dem laufenden Dienstverhältnis sind Karin M. in Form einer Urlaubsersatzleistung auszubezahlen. Für den „Sprung“ auf die sechste Urlaubswoche werden ihr beim neuen Arbeitgeber zwar Vordienstzeiten angerechnet, aber nicht sämtliche 23 Jahre, sondern nur 5 davon. Zusätzlich werden in beschränktem Ausmaß ihre Ausbildungszeiten (falls vorhanden) berücksichtigt.

Philipp Maier ist Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Baker McKenzie und spezialisiert auf das Arbeitsrecht. Er berät insbesonders zu Transformationsprozessen, Arbeitszeitmodellen, Post Merger Integration und internationalen Entsendungen. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und Vortragender im Arbeitsrecht.

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