Crashkurs Arbeitsrecht: Fragen im Bewerbungsgespräch - Was ist erlaubt?

Folge 52. Susanne K. bewirbt sich bei einem Handelsunternehmen als Marketing-Managerin. Beim Vorstellungsgespräch wird sie nach ihrem Religionsbekenntnis gefragt. Sie wird stutzig. Sind derartige Fragen erlaubt?

Bewerber haben ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Schutz ihres Privat- und Familienlebens. Daraus folgt, dass Kandidaten im Vorstellungsgespräch bestimmte Fragen überhaupt nicht gestellt werden dürfen und andere Fragen nur dann zulässig sind, wenn die Umstände des Einzelfalles dies rechtfertigen.

So sind Fragen zu einer Schwangerschaft, einem Kinderwunsch, getilgten Vorstrafen oder der sexuellen Orientierung ausnahmslos unzulässig. Fragen nach ungetilgten Vorstrafen sind zwar grundsätzlich ebenfalls unzulässig, allerdings dann erlaubt, falls die Position einen besonderen Grad der Vertrauenswürdigkeit des Mitarbeiters erfordert. Beispiele dafür sind Positionen im Finanzsektor oder der Buchhaltung. In diesen Fällen wäre es somit zulässig, vom Bewerber einen Auszug aus dem polizeilichen Strafregister zu verlangen.

Auch Fragen nach dem Gesundheitszustand sind generell nicht erlaubt. Eine Ausnahme besteht für Positionen, für welche die körperliche Fitness bzw. Gesundheit eines Mitarbeiters von besonderer Wichtigkeit ist. So können z.B. Krankenpfleger oder Ärzte nach bestimmten Infektionskrankheiten, die eine Gefährdung von Kollegen oder Patienten darstellen können (z.B. Hepatitis, Tuberkulose, HIV), gefragt werden. Ebenso dürfen Kandidaten für Positionen wie jene eines Piloten, Buschauffeurs oder Polizeibeamten nach gewissen körperlichen Eigenschaften wie der Sehkraft gefragt werden.

Der Bewerber muss den Arbeitgeber im Übrigen auch nicht über eine begünstigte Behinderung (landläufig als „Schwerbehinderung“ bezeichnet) informieren, es sei denn, dass sich die Behinderung auf die Einsatzfähigkeit des Bewerbers auswirkt und auch andere Personen durch die Behinderung gefährdet werden.

Partei und Religion sind tabu - fast immer

Unzulässig sind grundsätzlich auch Fragen nach der Gewerkschafts- und Parteizugehörigkeit. Eine Ausnahme besteht dann, wenn es sich beim künftigen Arbeitgeber um einen sogenannten "Tendenzbetrieb" handelt, also z.B. um Institutionen wie die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft oder eine politische Partei. In diesen Fällen hat der zukünftige Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, dass Mitarbeiter ein entsprechendes "mindset" mitbringen und kann dieses auch im Bewerbungsgespräch abfragen.

Fragen nach dem Religionsbekenntnis sind ebenfalls nur unter sehr eingeschränkten Umständen zulässig. Und zwar dann, wenn es sich beim Arbeitgeber um eine konfessionell geprägte Einrichtung handelt. Dies ist z.B. bei karitativen oder erzieherischen Einrichtungen einer Religionsgemeinschaft (z.B. konfessionelle Schulen, Kindergärten oder Krankenhäusern) der Fall. Auch hier hat der potentielle neue Arbeitgeber ein nachvollziehbares Interesse daran, dass Mitarbeiter eine bestimmte Grundeinstellung mitbringen und kann daher entsprechende Fragen stellen.

Bestimmte Fragen sind hingegen ohne weiteres zulässig, wie zB jene nach der Berufserfahrung, der Ausbildung und den Karrierevorstellungen eines Bewerbers.

Bei verbotenen Fragen ist lügen erlaubt

Was passiert aber, wenn ein Bewerber im Bewerbungsgespräch Fragen gestellt bekommt, die nach den oben geschilderten Maßstäben unzulässig sind? Kurz gesagt - er kann lügen. Dies bedeutet, dass eine unrichtige Beantwortung nicht dazu führen kann, dass der Kandidat - wenn er denn den Job bekommt – bei späterer Aufdeckung der Falschangabe entlassen werden kann. Der Arbeitgeber hat somit durch die unzulässige Frage sein Entlassungsrecht "verwirkt".

Wenn der Bewerber allerdings unrichtige Angaben zu einer zulässigen Frage macht, kann dies sehr wohl zu einer Entlassung führen. Und zwar dann, wenn die Lüge für das Dienstverhältnis von besonderer Bedeutung war und somit zu einem erheblichen Vertrauensverlust führt. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn ein Bankmitarbeiter zu ungetilgte Vorstrafen gelogen hat oder ein Pilot zum Vorliegen einer chronischen Herzerkrankung.

Fazit

Für Susanne K. bedeutet dies, dass sie die Frage nach dem Religionsbekenntnis nicht beantworten muss. Es ist nämlich nicht erkennbar, weshalb für Handelsunternehmen derartige Angaben relevant sein sollen. Arbeitgebern ist zu raten, sich möglichst einen Fragenkatalog zurechtlegen, der auf das Unternehmen und die ausgeschriebene Position optimal zugeschnitten ist. Dadurch können nicht nur rechtliche Fehler, sondern auch peinliche "Fettnäpfchen" im Bewerbungsgespräch vermieden werden.

(c) Franz Pfluegl 2017 Fotostudio Pfluegl,1010 Wien Tel.015353901

Philipp Maier ist Partner bei der internationalen Anwaltskanzlei Baker McKenzie und spezialisiert auf das Arbeitsrecht. Er berät insbesonders zu Transformationsprozessen, Arbeitszeitmodellen, Post Merger Integration und internationalen Entsendungen. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und Vortragender im Arbeitsrecht.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Crashkurs Arbeitsrecht

Corona: Kann ich zu Hause bleiben, um mein Kind zu betreuen?

Folge 75. Claudia K., Angestellte und Mutter, hat viele Fragen. Die drängendste: Kann sie daheim bleiben, wenn die Schulen geschlossen werden? Mit Update nach den Informationen der Bundesregierung zum 12. März.
Crashkurs Arbeitsrecht

Sturmfrei

Folge 74. Ihm flögen gerade die Schindeln vom Dach, schreibt ein Bregenzerwälder. Schon in der Früh war nicht daran zu denken, in die Arbeit zu fahren. Sieht das sein Arbeitgeber genauso?
Crashkurs Arbeitsrecht

Arbeitsunfall bei einer (sportlichen) Firmenveranstaltung?

Folge 73. Michael H. ist Angestellter in einem Planungsbüro. Die Geschäftsführung veranstaltet jedes Jahr ein Fußballturnier außerhalb der Arbeitszeit, bei dem alle Arbeitnehmer zur Teilnahme eingeladen werden. Das soll den Zusammenhalt der Belegschaft stärken und einen Ausgleich zur Bürotätigkeit bieten. Sogar der Chef nimmt jedes Jahr teil, um seinen besonderen Ehrgeiz zu zeigen. Beim Aufwärmen verletzt sich Michael H. am Knie. Im Krankenhaus fragt er sich, ob ein Arbeitsunfall vorliegt.
Crashkurs Arbeitsrecht

Kann ich meinen Papamonat durchsetzen, wenn der Dienstgeber nicht begeistert ist?

Folge 72. Lukas F. und seine Lebensgefährtin erwarten ihr erstes gemeinsames Kind mit errechnetem Geburtstermin am 14. Februar 2020. Lukas F. möchte jedenfalls den Papamonat in Anspruch nehmen. Von Arbeitskollegen weiß er jedoch, dass sein Dienstgeber den nicht „genehmigen“ wolle und Gerüchten zufolge sogar mit Kündigung drohe. Lukas F. kann es sich nicht leisten kann, seinen Job zu verlieren. Nun fragt er sich einerseits, wie hoch das Risiko einer Dienstgeber‑Kündigung ist und andererseits, ob es finanzielle Unterstützung während des Papamonats gibt.
Crashkurs Arbeitsrecht

Crashkurs Arbeitsrecht: Kündigung im fortgeschrittenen Alter – was nun?

Folge 71. Herbert M. ist langjähriger Mitarbeiter eines Unternehmens. Kurz vor seinem 58. Geburtstag bekommt er zuerst einen jüngeren Kollegen und wird dann überraschend gekündigt. Er weiß, dass er in seinem Alter schwer etwas Neues finden wird und fragt sich, welche arbeitsrechtlichen Schritte er unternehmen kann.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.