Crashkurs Arbeitsrecht: Ein unverträglicher Kollege

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Folge 59. Lukas K. trägt seine Ansichten lautstark und mit Kraftausdrücken gewürzt vor. Abwesende belegt er mit wenig schmeichelhaften Bezeichnungen. Ein Teil der Mitarbeiter hält zu Lukas K., andere gehen ihm aus dem Weg. Die Personalchefin überlegt eine Kündigung.

Aufgrund der im österreichischen Arbeitsrecht geltenden Kündigungsfreiheit können Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis unter Einhaltung von Kündigungsfrist und Kündigungstermin durch Kündigung auflösen. Ein Kündigungsgrund ist auch für den Arbeitgeber nicht notwendig.

Nur wenn der Arbeitnehmer seine Kündigung anficht, kann es notwendig sein, dass der Arbeitgeber Gründe nachweist, die die Kündigung rechtfertigen. Ein solcher Kündigungsgrund kann ein in der Person des Arbeitnehmers gelegener Umstand sein, der die Interessen des Betriebes nachteilig berührt. Dass der Arbeitnehmer den Kündigungsgrund verschuldet hat, ist nicht erforderlich.

Als derartige Rechtfertigungsgründe kommen neben Ehrverletzungen insbesondere Verhaltensweisen des Arbeitnehmers in Betracht, die den Umgang mit Menschen betreffen. Dazu zählen schlechte Umgangsformen des Arbeitnehmers, regelmäßiges unfreundliches Verhalten gegenüber Kunden, Kollegen oder Vorgesetzten, aber auch mangelnde Verträglichkeit mit Kollegen. In jedem Fall müssen die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände die betrieblichen Interessen so weit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtung einen verständigen Betriebsinhaber ebenfalls zur Kündigung veranlassen würden. Es kommt also nicht darauf an, wie der Arbeitgeber das Verhalten des Arbeitnehmers subjektiv beurteilt, sondern es ist ein objektiver Maßstab anzulegen.

Musterfälle

In der Rechtsprechung wurde als ausreichender Kündigungsgrund das Verhalten eines Spitalsarztes gegenüber Kollegen angesehen, das die Zusammenarbeit so sehr störte, dass negative Auswirkungen auf die medizinische Betreuung der Patienten zu besorgen waren. Mitentscheidend war, dass der Arzt trotz Ermahnung durch die Vorgesetzte sein Verhalten nicht änderte.

Auch eine Innendienstmitarbeiterin, die Außendienstmitarbeiter gegeneinander aufbrachte und dadurch ein gespanntes Betriebsklima herbeiführt, setzte einen Kündigungsgrund. Ein ständiges Zuspätkommen trotz Abmahnung kann eine Kündigung rechtfertigen, wenn sich die Unpünktlichkeit am Morgen auf den Betriebsablauf besonders nachteilig auswirkt. In einem Fall war die Kündigung sogar gerechtfertigt, weil durch grundsätzlich verschuldensunabhängige Krankenstände und viele Arztbesuche der Arbeitnehmerin das Betriebsklima nachhaltig gestört war, da sämtliche Mitarbeiterinnen die ihrer Ansicht nach nicht hinreichend begründeten regelmäßigen Leistungsstörungen nicht mehr hinnehmen wollten.

Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass sich das Verhalten des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum hinzog und eine Änderung nicht zu erwarten war. Darüber hinaus war die nachteilige Auswirkung des Verhaltens auf den Betrieb von entscheidender Bedeutung. Nicht jedes Fehlverhalten eines Arbeitnehmers rechtfertigt also bereits eine Kündigung. Darüber hinaus wird es in der Regel notwendig sein, dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass er sein Verhalten ändern muss. Allerdings müssen die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände nicht derart gravierend sein, dass sie für den Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machen.

Betriebliche Faktoren

Bei der Beurteilung der Auswirkungen des Verhaltens auf den Betrieb werden auch dessen Eigenheiten von Bedeutung sein. Ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Mitarbeiter ein sicherheitsrelevantes Kriterium, wird deren Störung ein höheres Gewicht haben als in einem Betrieb, in dem Mitarbeiter sich weniger vertrauensvoll aufeinander verlassen müssen. Auch die Betriebsgröße kann relevant sein. Der Oberste Gerichtshof hat festgehalten, dass es gerade in Kleinbetrieben in höherem Ausmaß auf die Verträglichkeit der dort beschäftigten Mitarbeiter ankommt.

Im Ausgangsfall wird die Personalchefin zuerst versuchen, Lukas K. zu einer Verbesserung seines Verhaltens zu bewegen. Zeigt er sich uneinsichtig und beeinträchtigt die durch sein Verhalten verursachte Spaltung unter den Mitarbeitern die betrieblichen Belange, wird das unverträgliche Verhalten von Lukas K. seine Kündigung rechtfertigen.

Dr. Kurt Wratzfeld
Dr. Kurt Wratzfeld(c) Felicitas Matern

Kurt Wratzfeld ist Partner bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung in den Bereichen Arbeitsrecht, Prozessführung, Betriebspensionsrecht und allgemeines Zivilrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikationen.

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