Kolumne "Führungsfehler". Der Primar genoss die Früchte vieler Jahre Knochenarbeit. Bis er diese jungen Ärztin einstellte.
Sie war brillant. Nicht nur am Patienten – ihre Diagnosen waren stets am Punkt -, auch als Forscherin. Der Primar beobachtete sie mit Argusaugen. Er hielt sie unter seinem Daumen, so lange er konnte. Wies ihr mehr und mehr Patienten, mehr und mehr Verwaltungsarbeit zu. Doch weder konnte er verhindern, dass sie sich habilitierte, noch dass sie publizierte. Bald wurde die Fachwelt auf sie aufmerksam. In ihm gärte es.
Die Bombe platzte, als die junge Professorin zu einem Kongress in London eingeladen wurde. Auf den Primar, die anerkannte Koryphäe (Selbstbild), hatte man vergessen. Er schäumte. Sofort nach ihrer Rückkehr bestellte er sie in sein Büro. Sie war fröhlich, aufgekratzt und voll von neuen Eindrücken. „Suchen Sie sich eine neue Stelle“, blaffte er sie an, „umgehend. in diesem Spital ist für Sie und mich kein Platz.“
Die Professorin verstand nicht. Profitierte das Spital denn nicht vom Ruf aller seiner Ärzte? Der Primar blieb ungerührt.
Sie drehte sich am Absatz um und ging. Es tat ihrer Karriere keinen Abbruch.
Dem Ruf des Spitals schon.
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Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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