Kolumne "Führungsfehler". In seinen Träumen sah sich der Geschäftsführer als Kunstmäzen. Die Firma war ihm Mittel zum Zweck.
Auf einer Vernissage hatte er diesen jungen Künstler kennengelernt. Der war nicht dumm und erkannte sofort den potenziellen Sponsor. „Du magst Rotwein, ich mag Rotwein“, säuselte er ihm zu später Stunde ins Ohr. Dem Geschäftsführer wurde ob des vertraulichen „Du“ ganz warm ums Herz. Er träume schon lange von einer Serie, setzte der Künstler fort. Die edelsten Rotweine wolle er verkosten, auf sich wirken lassen und dann den Flascheninhalt auf Leinwand gießen, schütten, sprenkeln. Wie es ihm die künstlerische Inspiration befehle. Ob er den Geschäftsführer dafür gewinnen könne?
Zwei Flaschen später hatte er ihn soweit. Der Geschäftsführer sagte nicht nur die Übernahme der (beträchtlichen) Materialkosten zu, er würde auch Galerie und Ausstellung finanzieren. Nicht aus eigener Tasche, versteht sich, auf Firmenkosten. Schlau wie er war würde er eine Vernissage eigens für die Mitarbeiter organisieren und als Sozialaufwand geltend machen.
So kam es, dass 100 entgeisterte Mitarbeiter ihren Feierabend opfern mussten, um Rotweinflecken auf Leinwand zu betrachten. Was das mit Kunst zu tun haben sollte, verstanden sie nicht. Der Wein wäre ihnen lieber gewesen.
Ihr Chef aber, der fühlte sich einen Abend lang als richtiger Kunstmäzen.
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Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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