Kolumne „Führungsfehler“. Er lebte lange Zeit als Expat in Indien. Das hinterließ Spuren.
In Delhi reichte sein Projektmanager-Gehalt für Haus, Garten und Bedienstete. Morgens, beim Zähneputzen, stand er oft am Fenster und beobachtete seinen Gärtner. Fand der mal wieder eine Kobra im hohen Gras (was nicht ungewöhnlich war und niemanden aufregte), hob er sie vorsichtig auf seine Schaufel und warf sie in hohem Bogen in den Nachbargarten.
Was tat der Nachbarsgärtner?
Dasselbe.
Die Kobra flog ständig über irgendwelche Mauern. Den Gärtnern schien das nichts auszumachen. Doch das ist eine andere Geschichte.
Nach ein paar Jahren wurde unser Projektmanager in die Heimat zurückberufen. Hier zeigte sich, dass Indien unerwartete Spuren bei ihm hinterlassen hatte. Wurde er mit einem Problem konfrontiert, warf er es sofort über die Mauer zur Nachbarabteilung.
Bloß dass sich während seiner Abwesenheit ein neuer Geist im Unternehmen durchgesetzt hatte. Sie nannten ihn bereichsübergreifendes Denken, die Abteilungssilos waren niedergerissen worden, man kollaborierte und kooperierte.
Nur er nicht. Verbissen verteidigte er seinen Garten und warf jede Kobra über die Mauer zum Nachbarn. Schnittstellen waren für ihn „Wurfstellen“. Seine zunehmende Isolierung entging ihm nicht. Er fühlte sich unverstanden. Oft erwischten ihn die Kollegen, wie er traurig am Fenster stand.
Dann träumte er von Indien.
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Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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