Kolumne "Führungsfehler". Der Senior war stolz auf seine Schneiderei. Die hatte er in den 1980ern mit einem Team Gleichaltriger aufgebaut, die ihm ein Berufsleben lang die Treue gehalten hatten. Nun wollten sie alle bald in Pension gehen.
Wir brauchen Lehrlinge, sagte der Vater zum Sohn, der die Schneiderei übernehmen sollte. Sonst stehst du irgendwann allein da.
Man schrieb Lehrstellen aus und sichtete die Bewerbungen. Alle Bewerber um die 50 wurden aussortiert (zu alt), alle unter 20 auch (zu jung). Übrig blieben 24 Frauen.
Die beiden Männer luden sie zum Vorstellungsgespräch. Es lief immer gleich ab. Der Vater empfing die Damen freundlich und zeigte ihnen die Firma, erzählte von den Produkten, den Geräten, den Abläufen. Das Gesicht des Sohnes wurde immer länger. Er wollte etwas über die Bewerberinnen wissen, wollte deren Ernsthaftigkeit und ihr Engagement verstehen und ihre Vorkenntnisse testen. Das ging nicht, wenn sein Vater das Bewerbungsgespräch praktisch allein bestritt.
Schließlich fragte der Vater den Sohn, welche Kandidatinnen er bevorzuge. Der Junior zuckte mit den Schultern. Er wusste so gut wie nichts über die Damen. Aber, sagte er, er wolle ein paar moderne Recruitingtechniken an ihnen testen. Sie zu einem Zweitgespräch einladen. Ohne den Vater.
Danach entschied er sich für zwei Kandidatinnen. Warum diese?, fragte der Senior. Er wollte mehr über das moderne Recruiting des Sohnes wissen.
Die eine, gestand der Sohn, habe dasselbe Hobby wie er. Und der Bruder der anderen spiele in seinem Fußballclub.
Na dann.
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Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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