Management im Kopf: Ashbys Gesetz – Komplexität meistern

Folge 8. Die Online-Kolumne stellt das Thema Komplexität in den Mittelpunkt. Diesmal über W. Ross Ashby und sein berühmtes Gesetz.

In unserer Kolumne „Management im Kopf“ stellt Maria Pruckner führende Forscher vor, deren Beiträge und Denkwerkzeuge für das Meistern von Komplexität sich in der Praxis der Wiener Beraterin und Entwicklerin seit über zwei Jahrzehnten verlässlich bewähren.

Ashbys Gesetz – Komplexität meistern

Wenn es um den professionellen Umgang mit Komplexität geht, sind die drei wichtigsten Worte: Steuerung, Regulierung und Fehlerintelligenz. Steuern meint man das Setzen von Inputs, um Zwecke oder Ziele zu verfolgen. Regulieren meint, dafür zu sorgen, dass solche Soll-Werte auch tatsächlich erreicht werden. Hier liegt die wichtigste Führungsaufgabe.

Beim Regulieren wird ein Output beurteilt. Entspricht dieser Ist-Wert nicht dem Soll-Wert, wird der Input so lange verändert, bis der Soll-Wert erreicht ist. Wird mehr vom selben gemacht, anstatt etwas anderes als bisher zu tun – was häufig geschieht – wird nur gesteuert, aber nicht reguliert.

Das berühmteste Beispiel für ein technisches Steuerungs- und Regulierungssystem ist ein Heizungsthermostat. Die Heizung schaltet ab, sobald die gewünschte Temperatur erreicht ist. Sinkt die Raumtemperatur, springt die Heizung wieder an. Regeln oder Regulieren hat also nichts, wie viele glauben, mit dem Aufstellen von Regeln zu tun.

Unternehmen und Institutionen mit gut ausgeprägter Fehlerintelligenz weisen immer ein hoch entwickeltes Steuerungs- und Regulierungssystem auf. Die Designprinzipien effektiver Steuerung und Regulierung stammen von der Natur. Herausgefunden hat man sie in der Kybernetik, die heute mit anderen Systemtheorien zu den Systemwissenschaften verschmolzen ist.

Zum Durchbruch kam es in der Frage der effektiven Steuerung und Regulierung komplexer Systeme in den 1940ern, in einer Gummizelle. Das war die Meisterleistung von William Ross Ashby. Der britische Psychiater und Forscher leitete damals eine Nervenklinik. Mit Psychopharmaka sah es zu dieser Zeit noch bescheiden aus, in Psychiatrien ging es daher noch ziemlich laut zu.

Ashby war es zu inhuman, alle brüllenden Patienten in eine Gummizelle zu stecken. Also richtete er sich selbst ein Arbeitszimmer in einer Gummizelle ein, um in Ruhe arbeiten zu können. Dieser brillante Psychiater hat unter anderem das kybernetische Gesetz herausgefunden, ohne dem beim Meistern von Komplexität gar nichts geht.

Ashbys Gesetz lautet: Je mehr verschiedene (!) Möglichkeiten ein System hat, um zu steuern und regulieren, desto mehr Störungen wird es ausgleichen bzw. kompensieren können. Um dieses Gesetz zu verstehen, muss man unbedingt berücksichtigen, was in den Systemwissenschaften mit Komplexität gemeint ist: Mehr verschiedene Möglichkeiten, wie sich etwas oder jemand aufgrund seiner Fähigkeiten verhalten kann, als zähl-, mess- und errechenbar ist.

Für das erfolgreiche Steuern und Regulieren braucht es also mindestens so viele verschiedene Fähigkeiten, so viele verschiedene Verhaltensweisen, Zustände und Ereignisse in einem System (aufgrund vorhandener Fähigkeiten) auftreten können, die nach Steuerung und Regulierung verlangen. Der professionelle Umgang mit Komplexität hängt also davon ab, über wie viele verschiedene (!) Fähigkeiten jemand oder ein System verfügt, und davon, ob und wann diese zum Einsatz kommen.

Man muss vor allem die Regulierungsprobleme suchen und lösen, wenn es nicht so gut läuft. Wo es Probleme mit Komplexität gibt, gibt es in der Regel Probleme durch mangelnde Fähigkeiten oder dadurch, dass vorhandene nicht zum Einsatz kommen.

Wer sich fragt, weshalb ausgerechnet ein Psychiater das Gesetz der Komplexitätsbewältigung herausgefunden hat, findet hier mehr über das Hirnproblem im Umgang mit Komplexität …

Kurzbiografie William Ross Ashby

(c) Picasa 2.0

William Ashby wurde 1903 geboren und verstarb 1972 in England. Zuerst Studium der Zoologie, danach der Medizin, nebenbei der Astronomie und Mathematik. Sein Buch Design for a Brain, erschienen 1952, brachte ihm eine Einladung in die USA zu einer Macy-Konferenz, wo er erstmals mit den Begründern der Kybernetik zusammentraf. Ab 1961 wurde Ashby einer der engsten Mitarbeiter an Heinz von Foerster legendärem Biological Computer Laboratory an der University of Illinois. Heute wird er vielfach als einer der bedeutendsten Systemwissenschaftler gewürdigt. Mehr…

Maria Pruckner entwickelt seit 1992 verlässliche Denkwerkzeuge für angewandte Kybernetik zum Problemlösen, Managen und Führen. Als Beraterin, Trainerin und Coach auf diesem Gebiet gehört sie weltweit zu den am längsten dienenden Problemlösern in der Praxis. Sie arbeitet stark vernetzt mit international führenden Experten aus Wissenschaft und Praxis. Im Rahmen ihres Unternehmens stattet und bildet sie interne und externe Experten aus, die sich in Unternehmen und Institutionen auf das professionelle Meistern komplexer Situationen konzentrieren.

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