Management im Kopf: Führen ist Lernen und Lehren

Folge 10. Die Online-Kolumne stellt das Thema Komplexität in den Mittelpunkt. Diesmal über Gordon Pask, das Genie lehrender und lernender Systeme.

In unserer Kolumne „Management im Kopf“ stellt Maria Pruckner führende Forscher vor, deren Beiträge und Denkwerkzeuge für das Meistern von Komplexität sich in der Praxis der Wiener Beraterin und Entwicklerin seit über zwei Jahrzehnten verlässlich bewähren.

Führen ist Lernen und Lehren

Die Salzburger Festspiele sind eröffnet. Als Festredner machte Konrad Paul Liessmann das Faszinosum der Kunst „in einem unerbittlichen Anspruch auf ein Gelingen“ aus, „in dem es letztlich darauf ankommt, dass dem Menschen, diesem fehlerhaften, eitlen, grausamen und nicht besonders intelligenten Wesen, etwas nahezu Vollkommenes gelingen kann, das keiner weiteren Rechtfertigung mehr bedarf ...“

Man kann nicht umhin, die Vorgänge des Kunstschaffens und Kunstgenusses intensiv zu studieren, wenn man sich auf die Anwendung der Kybernetik auf den Menschen, auf Unternehmen und Institutionen konzentriert. Geht es im Kern der Kybernetik doch darum, wie Wirklichkeit entsteht und wie es daher gelingen kann, Vorstellungen zu realisieren. Das und nur das ist es, was uns im Management interessieren muss.

Bei vielen Künstlern, Architekten und Designern hielt die Kybernetik daher früh Einzug. Viele große Kybernetiker versuchten, die Grenzen alltäglicher und wissenschaftlicher Ausdrucksformen, die in Konfrontation mit Komplexem einhergehen, mit Strategien der Kunst zu überwinden. Der Grande unter ihnen war Gordon Pask. Für ihn war Kunst der bevorzugte Kontext, um das Funktionieren seiner kybernetischen Überlegungen zu entwickeln und zu demonstrieren.

Mit seinem Mentor und temporärem Chef Heinz von Foerster war Pask einer der Urväter der Kybernetik II. Ordnung. Hier geht es nicht mehr, wie noch etwa bei Norbert Wiener, um das beobachtete System. Hier geht es um die Beobachter von Systemen, ihre Beobachtungen und deren Folgen. Hier erst beginnen die großen Möglichkeiten der Kybernetik im Management.

Pask, Psychologe und Pionier der Kybernetik, war einer der intimsten Kenner der Mensch-Maschine-Beziehung. Und man könnte ihn als den Vater von dem bezeichnen, was man heute Anwenderfreundlichkeit nennt. Um sie zu erreichen, genügt es nicht, Systeme zu steuern und regulieren. Dafür muss man die Steuerung und Regulierung selbst steuern und regulieren. Dafür muss man die Kybernetik der Kybernetik selbst im Griff haben. Dafür muss man wissen, was das Design intelligenter Systeme verlangt.

Schon Anfang der 1950er baute Pask Maschinen, die besser lehren und lernen konnten als viele Systeme, die heute als „intelligent“ verkauft werden. Es waren Systeme, in denen Menschen und Maschinen voneinander lernen und einander weiterentwickeln konnten. Sie halfen ihren Anwendern, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren, konnten sich ihrem Hunger nach Neuem anpassen, aber auch an die Grenzen ihrer Lernfähigkeit.

Das Forschungsfeld von Gordon Pask war das Lehren und Lernen, der Wissensgewinn, die Organisation und Darstellung von Wissen, die Konversation und Interaktion. Um all diese Phänomene geht es letztlich beim Führen. Als sein Hauptwerk gilt seine Conversation Theory - ein umfassendes Modell des Lehrens, Lernens und Entstehens von Wirklichkeit.

Hier nur eines der Designprinzipien von Gordon Pask, das im Managementalltag sicher weiterhilft: Der entscheidende Faktor zur Reduktion der Ungewissheit [Anm.: die mit Komplexem immer einhergeht] ist die Genauigkeit, mit der die Zweckausrichtung eines Systems festgelegt wird. Keinen Schritt würde ich ohne diesen Gedanken machen. Denn gerade darin, dass die Zwecke, um die es eigentlich geht, gerne vergessen, verwässert oder entfremdet werden, liegt die Quelle der meisten und größten Probleme.

Kurzbiografie Gordon Pask

paul pangaro flickr

Geboren 1928 in Derby, England – gestorben 1996 in London. Studium: Geologie und Bergbau, Chemie und Biologie, Medizin und Psychologie. Als Medizinstudent konstruierte er eine Lichtorgel namens Musicolour, die in jeder Hinsicht für Furore sorgte und ihn davon abbrachte, Arzt zu werden. Stattdessen landete er in der Kybernetik. Mit Anfang 30 zählte Pask zu den wichtigsten Kybernetikern Großbritanniens. Internationalen Ruhm erlangte er bald mit seinen adaptiven Lehrmaschinen. Anfang der 1970er Jahre publizierte er seine Conversation Theory. Der wesentlich jüngere Gordon Pask galt insbesondere bei Heinz von Foerster und Warren McCulloch als große Hoffnung, arbeitete eng mit W. Ross Ashby und Stafford Beer zusammen und gehörte zu den Trägern der "Wiener Medal in Cybernetics“, einer jährlichen Auszeichnung der amerikanischen Gesellschaft für Kybernetik in Anerkennung herausragender Leistungen und Beiträge im Bereich der Kybernetik. Mehr…

Maria Pruckner entwickelt seit 1992 verlässliche Denkwerkzeuge für angewandte Kybernetik zum Problemlösen, Managen und Führen. Als Beraterin, Trainerin und Coach auf diesem Gebiet gehört sie weltweit zu den am längsten dienenden Problemlösern in der Praxis. Sie arbeitet stark vernetzt mit international führenden Experten aus Wissenschaft und Praxis. Im Rahmen ihres Unternehmens stattet und bildet sie interne und externe Experten aus, die sich in Unternehmen und Institutionen auf das professionelle Meistern komplexer Situationen konzentrieren.

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