Warum Inbox Zero gefährlicher Unsinn ist

Kolumne "Hirt on Management". Folge 11: Worauf es wirklich ankommt (jedenfalls nicht auf eine leere Inbox...).

In unserer Rubrik "Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementexperte und -berater, Executive Coach und Keynote Speaker, alle zwei Wochen Fragen von Managern zu herausfordernden Situationen und kritischen Entscheidungen.

Frage: Ich bin Führungskraft und erhalte pro Tag ca. 150 E-Mails. Ich habe vom Konzept „Inbox Zero“ gehört und möchte wissen, was Sie davon halten und ob ich mich damit beschäftigen soll?

Michael Hirt antwortet: Immer wieder liest man, dass so genannte „Produktivitätsexperten“ empfehlen, eine „Inbox Zero“-Politik zu betreiben, also E-Mails sofort mit einer von sechs Aktionen zu bearbeiten und damit am Ende des Tages immer über eine leere Inbox zu verfügen. Die sechs Aktionen sind: löschen, archivieren, delegieren, beantworten, aufschieben und erledigen.

Wenn „Inbox Zero“  zu einem Wettbewerb degeneriert, indem Sie zwanghaft versuchen, um jeden Preis am Ende des Arbeitstages ihre Inbox geleert zu haben, dann sind Sie auf dem gefährlichen Irrweg gelangt, den man Bürokratie nennt. Dieser Irrweg besteht darin, dass die Wege und Mittel wichtiger werden, als die Ziele, die man mit diesen Wegen und Mitteln eigentlich erreichen möchte.

Die bürokratische Sichtweise unterliegt einem fatalen Irrtum, indem sie Inputs mit Outputs verwechselt, also den Karren vor das Pferd spannt und ist Schwachsinn. Worauf es nämlich im Leben ankommt, ist nicht Perfektion und fehlerfreie Durchführung, sondern Erfolg und entsprechende Ergebnisse.

Dass Ihre Inbox leer ist, bedeutet in Wirklichkeit gar nichts, jedenfalls aber nicht, dass Sie wirksam im Sinne von Zielerreichung sind, also wichtige und/oder dringende Aufgaben erfolgreich erledigt haben oder mit Ihrem kostbarsten Gut, Ihrer Zeit, weise umgegangen sind. Das wäre so, wie wenn man sagen würde, dass Picasso ein erfolgreicher Maler ist, weil sein Atelier schön aufgeräumt ist und er seine Pinsel der Größe nach geordnet hat.

Eine ganze Arbeitswoche sinnlos investiert 

Hier ein kurzes Anschauungsbeispiel anhand der empfohlenen Aktion „Archivieren“, die mir in Zeiten des leistungsfähigen Desktop-Search wirklich als vollkommen sinnlos erscheint. Nehmen wir an, dass Sie pro Tag 10 Minuten in die Archivierung von E-Mails investieren, dann sind das in einem Arbeitsjahr mehr als 41 Stunden, also ca. eine Arbeitswoche. Nehmen wir jetzt an an, dass Sie, statt die E-Mails zu archivieren, diese einfach in ihrer Inbox lassen und den Desktop-Search benutzen um E-Mails zu finden und, dass Sie ein bis zweimal pro Woche etwas länger suchen müssen, um eine E-Mail zu finden, also hier gegenüber der Suche in einer gut organisierten Ablage, zusätzlich 10 Minuten pro Woche mehr, also ca. 8 Stunden pro Jahr, benötigen. Ihr Nettovorteil beträgt noch immer 33 Stunden! Sie sparen sich also 33 Stunden Arbeitszeit, bzw. gewinnen 33 Stunden Freizeit pro Jahr, wenn Sie auf das Archivieren von E-Mails verzichten!

Es kommt also nicht auf die leere E-Mail Inbox an, sondern zum Beispiel auf frei verfügbare und einteilbare Zeit und (zumindest für manche von uns) auf ein gut gefülltes Bankkonto.

Am besten Sie vergessen „Inbox Zero“ und konzentrieren sich darauf, welche messbaren Ziele für Sie und Ihren Lebenserfolg wirklich wichtig sind und wie Sie diese ohne Umwege erreichen. Wenn dann Ihre Inbox übergeht, werden Sie es aushalten…

Das Wichtigste in Kürze

Vergessen Sie „Inbox Zero“ und konzentrieren sich darauf, welche messbaren Ziele für Sie und Ihren Lebenserfolg wirklich wichtig sind und wie Sie diese ohne Umwege erreichen.

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 21. Jänner 2016 zur Frage: Managing Your Boss. Wie Sie mit Vorgesetzten optimal umgehen.

Hier finden Sie die gesammelten Kolumnen.

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Dr. Michael Hirt, geboren 1965 in Wien, ist Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu schnellen Leistungs- und Ergebnissteigerungen, mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, Kanada (McGill) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit tätig.

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