„Du“ oder „Sie“?

Kolumne "Hirt on Management". Folge 16: Wie man es im Unternehmen am besten mit der Anrede hält.

In unserer Rubrik "Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementexperte und -berater, Executive Coach und Keynote Speaker, alle zwei Wochen Fragen von Managern zu herausfordernden Situationen und kritischen Entscheidungen.

Frage:

Wie hält man es am besten mit der Anrede zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern sowie zwischen Kollegen? Was mache ich, wenn der Vorgesetzte mir das „Du“ anbietet, ich mich aber eigentlich nicht damit wohl fühle?

Michael Hirt antwortet:

Also zuerst mal die Basics. Grundsätzlich spricht man einen anderen Menschen beim Kennenlernen mit "Sie" an. Wann man zum lockereren "Du" übergeht, bestimmt gemäß der klassischen Etikette (siehe Schäfer-Elmayer), der "Ranghöhere", also zum Beispiel der Vorgesetzte.

Wenn man dem Angebot des "Du" nicht nachkommen möchte, ist das durchaus eine heikle Situation, weil der andere sich dadurch zurückgewiesen fühlen könnte.

Zu beachten ist auch, dass in manchen ländlichen Regionen, das "Du" sehr weitgehend verwendet wird und das "Sie" leicht als Arroganz oder Affront verstanden werden kann.

In Unternehmen mit jüngeren Mitarbeitern und in manchen Branchen, wie zum Beispiel der Kreativbranche, ist das "Du" in der Zwischenzeit fast schon selbstverständlich, in einer gewissen Weise sogar zwanghaft. In so einer Unternehmenskultur, die Du-orientiert ist, wird es sehr schwierig sein, den anderen ein "Sie" abzuverlangen.

Das "Du" hat gewisse Vorteile, weil es vermittelt, dass sich hier alle auf Augenhöhe begegnen und damit auf den ersten Blick der Eindruck von Partnerschaftlichkeit und Meritokratie entsteht.

Dieser Eindruck kann aber trügen, weil meistens der "Ober" dann eben doch den "Unter" sticht, bzw. zu Grenzüberschreitungen führen, weil das "Du" zu Vertraulichkeiten verleiten kann, die im Arbeitskontext nicht angemessen sind.

Befinde ich mich in einer Unternehmenskultur, die von der Grundausrichtung her das "Sie" vorsieht, und das "Du" der individuellen Vereinbarung überlässt, gibt es mehr Spielvarianten, aber es wird auch komplizierter.

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass es mit der angemessenen Diplomatie, in Verbindung mit einem gesunden Selbstwertgefühl, möglich sein muss, die Spielräume der Sie-Kultur wahrzunehmen.

Wenn Ihnen Ihre Vorgesetzte also das "Du" anbietet, können Sie es natürlich auch ausschlagen. Selbstverständlich müssen Sie dabei alle "Schuld" auf sich nehmen und aus der Sicht und den Eigeninteressen des anderen heraus argumentieren.

Sie können zum Beispiel erklären: "Ich fühle mich durch ihr Angebot sehr geehrt und weiß es wirklich zu schätzen. Ich habe mich schon vor einiger Zeit mit der Frage der optimalen Anrede am Arbeitsplatz beschäftigt und bin für mich zum prinzipiellen Ergebnis gekommen, dass ich eine bessere Arbeitsleistung erbringen kann, wenn ich durch Verwendung des "Sie" mit Vorgesetzten in einem freundlich-distanzierten miteinander zusammenarbeiten kann. Ich würde es daher vorziehen, wenn wir beim "Sie" bleiben. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich werde Ihre Toleranz und Entgegenkommen weiterhin mit ausgezeichneten Leistungen würdigen."

Ab jetzt heißt es natürlich aufpassen, weil wenn Sie gegenüber anderen höher gestellten Personen von diesem Grundsatz abweichen, dann haben Sie ein Problem.

Zwischen Kollegen gilt in einer Sie-Kultur wieder die Grundregel von weiter oben. Hier bleibt abzuwarten, ob der Ältere dem Jüngeren das Du-Wort anbietet.

Auch hier muss eine Ausschlagung, mit ähnlichen Argumenten, wie weiter oben, also nicht mit einer persönlichen Begründung, sondern mit einer prinzipiellen Begründung, möglich sein.

Das Wichtigste in Kürze

In einer Unternehmenskultur, die Du-orientiert ist, wird es sehr schwierig sein, den anderen ein "Sie" abzuverlangen. Befinde ich mich in einer Unternehmenskultur, die von der Grundausrichtung her das "Sie" vorsieht, und das "Du" der individuellen Vereinbarung überlässt, gibt es mehr Spielvarianten. Mit der angemessenen Diplomatie, in Verbindung mit einem gesunden Selbstwertgefühl, sollte es möglich sein muss, die Spielräume der Sie-Kultur wahrzunehmen und das „Du“ auszuschlagen, aber nicht mit einer persönlichen Begründung, sondern mit einer prinzipiellen Begründung.

In „Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor alle 2 Wochen Fragen von ManagerInnen zu herausfordernden Situationen und kritischen Managemententscheidungen.

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 31. März zur Frage: Warum Schulungen für Führungskräfte (meistens) Zeitverschwendung sind.

Hier finden Sie die gesammelten Kolumnen:

Mein Kollege demontiert mich

Mein bester Mitarbeiter ist demotiviert

Meine Chefs spinnen

High-Heels oder graue Maus

Bullshit or not?

Taten statt heißer Luft

Goldene Rolex oder nicht?

Warum Business-Pläne Blödsinn sind

Warum Führung ein Vollkontaktsport ist

Der Jahresstart für Manager

Warum Inbox Zero gefährlicher Unsinn ist

Managing your Boss

No Sports

Out-of-Office ist für Schwächlinge

Strategie für Faule

Dr. Michael Hirt, geboren 1965 in Wien, ist Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu schnellen Leistungs- und Ergebnissteigerungen, mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, Kanada (McGill) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit tätig.

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