Managementwahnsinn - Wahnsinnsmanagement

Die Mitarbeiterseite der Strategie

Kolumne "Hirt on Management": Folge 99. Was Sie an der Harvard Business School lernen.

In unserer Rubrik „Hirt on Management“ beantwortet Michael Hirt, Managementexperte und -berater, Executive Coach und Keynote Speaker alle zwei Wochen Fragen von Managern zu herausfordernden Situationen und kritischen Entscheidungen.

Ich habe vor kurzem ein Executive Program an der Harvard Business School (HBS) abgeschlossen und nachdem ich dort extrem viel Spannendes gelernt habe, habe ich gedacht, dass es interessant wäre, die Kernpunkte daraus in einigen meiner nächsten Kolumnen mit Ihnen zu teilen:

Professorin Frei und ihr Kollege Professor Oberholzer-Gee von der Harvard Business School haben sich damit beschäftigt, wie Sie über Ihre Strategie kreativ nachdenken können.

Der Tripel-Win

In den letzten Kolumnen haben wir erkannt, dass eine ausgezeichnete Strategie auf dem Verstehen der Tripel-Win-Denke und dem permanenten, kreativen Streben danach beruht, den Kuchen für alle, also Kunden, Unternehmen und Lieferanten größer zu machen.

Heute möchten wir uns auf Ihre Mitarbeiter, eine Form ihrer Lieferanten, konzentrieren.

Zwei Strategien in Richtung ihrer Mitarbeiter

Grundsätzlich verfügen Sie über zwei große strategische Stoßrichtungen im Umgang mit Ihren Mitarbeitern.

Strategie 1: Sweat Shop

Erstens, können Sie versuchen ihren Mitarbeitern möglichst wenig zu bezahlen und auch bei den Arbeitsbedingungen, die Sie bieten, möglichst knausrig und minimalistisch zu sein.

Wenn Sie dabei die Bereitschaft Ihrer Mitarbeiter an Sie zu verkaufen (WTS - Willingness To Sell) gleich halten können, können Sie Ihre Gewinnspannen auf Kosten ihrer Mitarbeiter erhöhen.

So eine Strategie kann - wenn man von ethischen Überlegungen absieht - funktionieren, zum Beispiel, wenn Sie über eine schier endlose „industrielle Reservearmee“ in der Form von ausgehungerten Landarbeitern und Tagelöhnern verfügen, für die eine, noch so harte und unangenehme, Arbeit in Ihrem Unternehmen, noch immer besser ist, als in einer Lehmhütte nach dem nächsten Orkan zu verhungern.

Nachdem aber so eine verzweifelte Situation, insbesondere bei gut ausgebildeten Menschen, in den hoch entwickelten Wirtschaftsräumen, recht selten ist, haben Sie mit dieser Strategie nicht so gute Karten, um gute Mitarbeiter anzuziehen und in Ihrem Unternehmen zu halten.

Strategie 2: Country Club

Vielversprechender ist, in den hoch entwickelten Wirtschaftsräumen, eine zweite Strategie, die darin besteht, die Willingness to Sell (WTS) Ihrer Mitarbeiter zu senken.

Zur Erinnerung: die WTS ist der niedrigste Preis, zu dem Ihr Lieferant bereit ist, Ihnen sein Produkt zu verkaufen oder seine Dienstleistung zu erbringen.

Es gibt Unternehmen, die einen Weg gefunden haben, Mitarbeitern vergleichsweise weniger zu zahlen, ohne dass diese unzufrieden sind, beziehungsweise in vielen Fällen sogar begeistert sind.

Das hört sich auf den ersten Blick überraschend an, hat aber damit zu tun, dass die meisten Menschen, ab einem gewissen Mindestniveau, gar nicht so geldorientiert sind, wie fälschlicherweise angenommen wird.

Unternehmen, die eine attraktive Firmenkultur bieten, mit einem hohen Zugehörigkeitsgefühl und tollen Teamgeist, haben gute Chancen, ausgezeichnete Mitarbeiter zu finden und zu binden, ohne Geld, in der Form von hohen Gehältern und Boni, um sich zu schmeißen.

Wenn diese Unternehmen noch dazu schnelle Entwicklungsmöglichkeiten, den beschleunigten Aufstieg von begabten Personen in Positionen von Verantwortung, ausgezeichnete Technologie und Tools für die Arbeit, gute Trainings- und Weiterbildungsmöglichkeiten und flexible Arbeitszeiten und -orte bieten, dann verblassen schnell die vermeintlichen Vorzüge von Wettbewerbern, die vielleicht ein großes Gehalt bieten, aber ansonsten nicht viel Positives vorweisen können.

Das Unternehmen kann also geringere Gehälter zahlen, als seine Mitbewerber und dadurch seine Margen erhöhen.

Und das Tolle daran: Alle sind zufrieden! Die Kunden bekommen tolle Produkte und Dienstleistungen, die Mitarbeiter fühlen sich pudelwohl und das Unternehmen macht höhere Gewinne. Ein klassischer Tripel-Win.

Das Wichtigste in Kürze

Denken Sie nach, wie Sie Ihren Mitarbeitern helfen können, deren Willingness To Sell zu senken und dabei gleichzeitig Ihre Gewinnspanne und die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöhen. Damit schaffen Sie eine Tripel-Win-Situation.

In der nächsten Kolumne lesen Sie, wie Sie sich auf schwierige Verhandlungen gut vorbereiten.

Schicken Sie Ihre Fragen an Michael Hirt an: karrierenews@diepresse.com

Die Fragen werden anonymisiert beantwortet.

Ausblick: Die nächste Kolumne von Michael Hirt erscheint am 6. Juni 2019 zur Frage: Wie Sie sich auf schwierige Verhandlungen vorbereiten

Hier finden Sie die gesammelten Kolumnen.

Michael Hirt ist Managementexperte und -berater, Executive Coach, Keynote Speaker und Buchautor. Hirt verhilft Führungskräften zu außergewöhnlichen Leistungs- und Ergebnissteigerungen, mit hoher Auswirkung auf den Erfolg ihres Unternehmens. Er studierte in Österreich, den USA (Harvard LPSF) und Frankreich (INSEAD MBA) und ist weltweit tätig.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

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