Warum wir niemals etwas „offen und ehrlich“ sagen sollten.
Die Gespräche verlaufen zäh. Mühsam kommen sich die Gesprächspartner entgegen. Als endlich nur noch wenig zur Einigung fehlt, passiert es: „Ich sage Ihnen das jetzt ganz offen und ehrlich . . .“
Meist gehen die Gespräche an diesem Punkt weiter. Doch wer diese Phrase zu hören bekommt, sollte aufstehen und gehen. Was soll dieses „offen und ehrlich“ bedeuten? Streng genommen gibt es nur eine Antwort: Alles andere, was ich bislang erzählt habe, war taktisch angelegt und vor allem – gelogen. (In vielen Fällen wird das eine recht ehrliche Antwort sein.)
Natürlich: Abgesehen von Gesprächen zwischen Freunden, die an sich offen und ehrlich sein sollten, wird „offen und ehrlich“ meist nur aus dramaturgischen Gründen eingesetzt. Trotzdem will die Botschaft richtig verstanden sein: Es ist jede Information wichtig, die vor dem „offen und ehrlich“ ausgesprochen wurde. Alles danach ist zu vernachlässigen.
Genau umgekehrt funktioniert eine andere Phrase. Sie lautet, geschickt in der Endphase eines längeren Monologs platziert: „Ich formuliere es jetzt ganz konkret . . .“ Richtig: Jetzt zählt, was nach „konkret“ kommt. Alles davor war nur Geschwätz.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2013)