60 Schläge pro Minute

Warum derzeit allerorts am „Puls der Zeit“ herumgedoktert wird.

Woran zeigt sich, dass der Weihnachtswahnsinn schon Anfang November beginnt? An den Prospekten der Juweliere, die sich dramatisch gehäuft in den Postkästen finden. Die Juweliere fühlen sich mit ihrer Uhrenwerbung ganz bestimmt sprichwörtlich am Puls der Zeit.

Auffallend ist, dass immer häufiger der Frage nach der Uhrzeit nicht der Blick auf das linke Handgelenk folgt, sondern das Gegenüber mehr oder weniger erfolgreich in Hand-, Hosen- oder Sakkotasche zu kramen beginnt. Nicht nur in Armbanduhren, auch in Mobiltelefonen pulsiert also die Zeit – ganz ohne dass in ihnen Blut fließt.

Die Zeit – so lautet die gern verwendete Sprechblase – hat also einen Puls. Wie hoch der wohl ist? 60 Schläge in der Minute vielleicht? Und wie hoch ist dann der Ruhepuls?

Doch der Puls der Zeit könnte sich ohnehin bald ändern. Denn es gibt zahllose Unternehmen, die über sich nicht nur sagen, am Puls der Zeit zu sein, sondern in ihren Selbstbeschreibungen behaupten: „Wir arbeiten am Puls der Zeit.“ Es wird also eifrig am Puls herumgedoktert. Sehr erfolgreich scheinen sie nicht zu sein. Die Zeit vergeht nach wie vor zu schnell.

E-Mails an: michael.koettritsch@diepresse.com

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