Klangkunst in der Kanalisation: Die Spuren vom „Dritten Mann“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Internationale Künstler haben für das Projekt „freqout 12“ Klänge in zwölf Frequenzen entwickelt, die bis 1. Mai im Wiener Untergrund zu hören sind.

Mit Zithermelodien, die der Wiener Anton Karas einst für den „Dritten Mann“ eingespielt hat, kann Carl Michael von Hausswolff nicht sehr viel anfangen. „Ehrlich gesagt mag ich die Musik nicht“, sagt der schwedische Künstler und Musiker. Spuren des Filmklassikers finden sich in seinem aktuellen Klangkunstprojekt, „freqout 12“, in der Wiener Kanalisation trotzdem: Wer sich an den elektronischen Sound erinnert, der beim Tod von Orson Welles alias Harry Lime erklingt, der könnte ihn nun im Wiener Untergrund wiedererkennen.

Seit Donnerstag donnert, brummt, piept es am Schauplatz des „Dritten Mannes“ unter dem Karlsplatz. Und in der Dunkelheit in sieben Metern Tiefe vermischen sich diese Klänge mit jenen des Wienflusses, der an dieser Stelle unterirdisch durch die Kanalisation gluckert. Für die Klanginstallation, die bis 1. Mai zu hören ist, haben zwölf internationale Künstler(teams) Musik in jeweils einem von zwölf Frequenzbereichen zwischen null und 12.000 Hertz komponiert, die Erfinder und Kurator von Hausswolff zu einer scheinbar endlosen Klangschleife zusammengefügt hat.

Die schwedische Künstlerin Christine Ödlund hat sich mit jener zwischen null und 25 Hertz beschäftigt. „Das sind die ganz tiefen Klänge, die richtig in die Kleidung hineinfahren“, erklärt sie. Die, die einem im Zusammenspiel mit der Resonanz des Tunnels das Gefühl geben, dass die Erde unter den Füßen ein bisschen vibriert. „Fast wie ein kleines Erdbeben.“ Der australische Musiker JG Thirlwell hat für sein Stück Frequenzen zwischen 140 und 180 Hertz verwendet. Und eine der Kompositionen ist von jenem elektronischen Klang aus dem „Dritten Mann“ inspiriert.

„Dem Kanal Würde zurückgeben“

Die Klanginstallation im Wiener Untergrund ist nach 13 Jahren und elf Ausgaben der Abschluss des Frequenzenprojekts von Carl Michael von Hausswolff. Vorgabe macht er den Künstlern stets nur eine einzige: den Frequenzbereich, mit dem sie arbeiten müssen. So entstehen unterschiedlichste Klangstücke unterschiedlichster Länge – zwischen drei Minuten und einer Stunde.

Seit er im Jahr 2003 startete, machte er Station in einer ganzen Reihe von Metropolen, von Kopenhagen über Paris und Budapest bis Chiang Mai in Thailand. Und in unterschiedlichsten Locations: in einem schwedischen Museum, in einem Berliner U-Bahn-Tunnel oder in einem belgischen Stripclub. In die Wiener Kanalisation – die geführte „Dritte Mann“-Tour startet heuer übrigens ein paar Tage später als normalerweise – verschlug es von Hausswolff durch Georg Weckwerth, den künstlerischen Leiter des Projekts.

„Georg weiß, dass ich ausgefallene Orte mag“, sagt der Kurator. Durch die Kanalisation fließe das, wovor sich die Menschen am meisten fürchten: nämlich die Exkremente anderer. Zugleich sei die Akustik so gut wie in jedem Konzerthaus. „Wir wollen dem Kanal seine Würde zurückgeben, indem wir ihn mit der feinsten aller Künste bereichern.“ Als er die Kanalisation gesehen habe, habe er gedacht: „Das passt“, erzählt von Hausswolff – und es sei eine Herausforderung. Der Tunnel mit seiner Resonanz, der Wienfluss mit seinem Rauschen und Gluckern. „Es könnte auch scheitern, diese Möglichkeit muss man immer zulassen.“ Das sei aber nicht geschehen – oder? „Ehrlich gesagt fühlt es sich richtig gut an.“

AUF EINEN BLICK

Die Klanginstallation„freqout 12“ ist noch bis 1. Mai in der Wiener Kanalisation unter dem Karlsplatz zu hören. Insgesamt 15 Künstlerinnen und Künstler haben sich mit zwölf Frequenzbereichen beschäftigt. Der schwedische Musiker Carl Michael von Hausswolff hat die Klänge zusammengefügt.

Geöffnet ist die Installation täglich von zwölf bis 20 Uhr beim Eingang zur „Dritten Mann“-Tour auf dem Karlsplatz. Eintritt frei. Eine dazugehörige Komposition ist in der Tonspur-Passage im Museumsquartier zu hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2016)

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