"Das Boot": Hier stehen die Frauen nicht nur winkend am Kai

Es sieht zwar auf den ersten Blick so aus, aber die Frauen haben in der Neuauflage mehr zu tun als ihre Männer und Väter am Kai zu begrüßen (vierte von rechts: Vicky Krieps alias Simone).
Es sieht zwar auf den ersten Blick so aus, aber die Frauen haben in der Neuauflage mehr zu tun als ihre Männer und Väter am Kai zu begrüßen (vierte von rechts: Vicky Krieps alias Simone).Sky Deutschland AG und Sky Deut (� NIK KONIETZNY)
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37 Jahre nach dem Kultfilm geht »Das Boot« wieder auf Tauchgang. Andreas Prochaskas Neuauflage spielt auch am Festland, und Frauen haben tragende Rollen.

Wie erzählt man vom Krieg? Viele Filmemacher haben sich diese Frage gestellt, und doch ist der Krieg, der Zweite Weltkrieg vor allem, noch nicht auserzählt.

Was sich von Generation zu Generation ändert, ist der Blick auf die Geschehnisse, die vor rund 80 Jahren begonnen haben. Ab Freitag zeigt der Bezahlsender Sky seine aufwendige Neuadaption des Antikriegsfilmklassikers „Das Boot“. Regie führt mit Andreas Prochaska ein Österreicher, dem es wichtig war, nicht bloß ein Remake des Originals von Wolfgang Petersen aus dem Jahr 1981 zu produzieren.

An Deck des Bootes U 612 sind Kapitän Klaus Hoffmann (Rick Okon, li.) und sein Stellvertreter Karl Tennstedt (August Wittgenstein).
An Deck des Bootes U 612 sind Kapitän Klaus Hoffmann (Rick Okon, li.) und sein Stellvertreter Karl Tennstedt (August Wittgenstein). Nik Konietzny/Bavaria Fiction GmbH/Sky

Und das Original ist tatsächlich eine Vorgabe. Der Film war in vieler Hinsicht ein Phänomen: Überlang (3,5 Stunden lang, die Serie fast fünf), preisgekrönt (aber kein Oscar), in viele Sprachen übersetzt, erzählt er auf neue, nämlich unmittelbare Weise vom Alltag auf dem engen Kriegs-U-Boot U 96, nach dem sich später eine deutsche Technoband nannte. Begeistert waren vor allem jene, die selbst – oder deren Väter, Brüder, Ehemänner, im Krieg gedient hatten. Wer keinen Bezug zu Krieg und Unterwasserkreuzern hatte, für den blieb es doch eine eher spröde, bisweilen langatmige Sache. Vermutlich erging es diesem Film ähnlich wie dem Roman „Ulysses“ von James Joyce oder Musils „Mann ohne Eigenschaften“: Man glaubt ihn zu kennen, obwohl man ihn nie zur Gänze gesehen (oder gelesen) hat.

Neues U-Boot. Die Macher der Neuauflage entschieden sich, eine komplett andere Geschichte mit anderem U-Boot zu erzählen, und scheuten keine Mühen und Kosten. Es sollte, ähnlich wie das gerade abgelaufene „Babylon Berlin“, eine Serie nach internationalem Standard werden, mit einem Budget von 26,5 Millionen Euro, 79 Darstellern, 1000 Statisten und 105 Drehtagen in vier Ländern (Malta, Prag, La Rochelle und München).

Die Hafenstadt La Rochelle, bis zur Kapitulation im Mai 1945 in deutscher Hand, ist auch diesmal Startpunkt für die Geschichte; von hier aus gehen viele U-Boote der Kriegsmarine auf Feindfahrt. Im Herbst 1942, neun Monate nach der tragisch ausgegangenen Rückkehr der U 69 im Original, steht die Jungfernfahrt der U 612 bevor. Kapitän Klaus Hoffmann (Entdeckung der Serie: Rick Okon), selbst blutjung, rüstet mit seiner juvenilen Mannschaft für den Kriegseinsatz. Am Abend vor der Ausfahrt geht es (wie im Original) ins Bordell. Die Deutschen schickten tatsächlich die Jüngsten der Jungen, die sich freiwillig für diesen gefährlichen Dienst meldeten, in den Seekampf. Weil U-Boot-Fahrer der Wehrmacht wie Stars behandelt wurden, mehr verdienten, mehr Urlaub hatten. Von 50.000 U-Boot-Kriegern fielen 40.000.

Frauenrollen. Der größte Unterschied zum alten „Boot“ wird gleich im dramatischen Vorspann sichtbar, der die weltbekannte Titelmusik mit dem charakteristischen Echolot gekonnt neu interpretiert. Denn gleich der erste Name, der auftaucht, ist weiblich: Vicky Krieps. Diesmal spielen Frauen endlich mit und haben tragende Rollen. Nicht wie im Original, in dem sie nur als Prostituierte vorkommen oder am Kai ihren Brüdern und Männern nachwinken. Die Hauptautoren Tony Saint und Johannes W. Betz haben einen zweiten Erzählstrang an Land für die Frauen geschrieben: Vicky Krieps, die Österreicher aus dem Film „Was hat uns bloß so ruiniert“ kennen könnten, spielt Simone, die Schwester von Frank, dem Oberfunker an Bord der U 612. Sie wird als Dolmetscherin nach La Rochelle versetzt und fällt dem Bruder beim ersten Wiedersehen um den Hals. „Und, wie ist denn das in so einem U-Boot?“, fragt sie. Und Frank antwortet abgeklärt: „40 Kerle, ein Scheißhaus, keine Dusche. Willst Du es genauer wissen?“

Vicky Krieps spielt Simone, die Schwester eines Soldaten.
Vicky Krieps spielt Simone, die Schwester eines Soldaten.(c) Sky Deutschland AG und Sky Deut (© NIK KONIETZNY)

Die Geschwister stehen sinnbildlich für das gespaltene Elsass, das lange abwechselnd deutsch und französisch, in der Zwischenkriegszeit (1918 bis 1940) wieder französisch war: Die Erstgeborene Simone fühlt sich als Deutsche, ihr jüngerer Bruder als Franzose, weshalb er desertieren will. Die verfrühte Abfahrt seines U-Boots hindert ihn daran. Die Schwester hat er aber mit der Bitte um einen Botendienst schon in Schwierigkeiten gebracht. Sie trifft auf eine Gruppe Widerstandskämpfer, darunter die aufbrausende Amerikanerin Carla Monroe (Lizzy Caplan), die sie bedrängen, mit ihr zusammenzuarbeiten. Die Beziehung der Frauen wird noch überraschend eng. Mehr soll dazu nicht verraten werden.

Die Handlung am Festland entwickelt bald eine Rasanz, der man sich nicht entziehen kann. Gut so! Denn würde die Neuauflage wie das Original fast nur unter Deck des U-Bootes spielen, würde man sich wieder langweilen. Auch so sind die dunklen und lauten (Kampf-)Szenen an Bord der U 612 (die wirklich in einem U-Boot gedreht wurden), wenn die Wasserbomben fallen, die schwächsten Szenen der Serie, trotz kleiner Parallelen und feiner Zitate des Originals: Die Zitronen zum Beispiel, an denen die Besatzung in Petersens Film dauernd lutscht, sie kommen auch in der neuen Serie vor. Den Koch an Bord spielt übrigens der österreichische Schauspieler Robert Stadlober.

Keine Unterhaltung. „Das Boot“ ist, wie damals, keine Unterhaltungsserie. Wer der Handlung folgen will, muss viel Wissen über den Zweiten Weltkrieg, die Hafenstadt La Rochelle und den U-Boot-Einsatz der deutschen Marine mitbringen oder sich das nebenbei ergoogeln. Man kann bei den (Ur-)Enkeln der Zeitzeugen nicht mehr so viel Wissen voraussetzen wie bei den Zeitzeugen und ihren direkten Nachfahren Anfang der 80er. Die Zuseher hätten mehr Hintergrund zu Strategie und Taktik der Nazis und der deutschen Marine in der Seekriegsführung vertragen. „Das Boot“ ist ein Antikriegsfilm, doch blieb Kritik an den Nazis 1981 subtil: Die Spannung zwischen dem desillusionierten „Kaleun“ (Kapitänleutnant; gespielt von Jürgen Prochnow) und seinem regimetreuen Vize wurde oft nur über Blicke ausgedrückt.

Das war damals okay, weil jeder Zuseher den Subtext der Handlung kannte. Heute, in einer Zeit, in der der Nationalismus wieder steigt, hätte es gut getan, die Naivität der jungen Krieger stärker hervorzuheben. Den Enkeln der Kriegsgeneration wäre mehr zuzumuten gewesen. Pluspunkte gibt es für die Szenen an Land und die sanfte Adaption der Titelmusik. Ping!


Wann und wo? Ab 23. 11. sind alle acht Folgen der Produktion von Sky Deutschland, Bavaria Fiction und Sonar Entertainment auf Sky abrufbar.

Das Boot – Einst und Jetzt

1981 kam „Das Boot“ von Wolfgang Petersen ins Kino, nach einem Buch von Lothar-Günther Buchheim. Später kam die Serie, 1997 ein längerer Director's Cut (bestehend aus der ersten Kinoversion und Serienszenen).
Berühmt wurde nicht nur der Regisseur, der später Filme wie „Outbreak“ und „Independence Day“ machte, sondern auch die Schauspieler-Riege (von Uwe Ochsenknecht, Heinz Hönig und Herbert Grönemeyer bis Martin Semmelrogge) sowie die Filmmusik.
2018. Das charakteristische „Ping“ aus der Titelmelodie von Klaus Doldinger wurde erhalten und neu interpretiert. Regie in der Produktion von Sky und Bavaria Studios führt der Österreicher Andreas Prochaska („In 3 Tagen bist Du tot“, „Das finstere Tal“).

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Dieses Ding aus der Tiefe jagt dir Angst ein

Wer das Buch von Buchheim 1973 las oder 1981 den Film von Petersen sah, erinnert sich wohl noch genau an dieses Gefühl: »Das Boot« wirkt beklemmend.

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