Wer den langen Schlaf verachtet, denkt zu kurz

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Schon die Aufklärer sahen Schlaf als Zumutung. Heute sollen wir fleißig sein und wollen nichts versäumen. (K)ein Weckruf.

Im Grunde ist Thomas Edison schuld. Der Erfinder der Glühbirne hat unsere Nacht zum Tag gemacht. Seitdem legen wir uns nicht einfach zur Ruh, weil die Nacht uns umfängt. Wir können im kostengünstig erleuchteten Dunkel auch arbeiten oder feiern. Das macht uns flexibel, aber auch verantwortlich für die im Bett verlorene Zeit. Edison selbst hielt Schlaf für „absurd, eine schlechte Angewohnheit“. Auch der Autobauer Ford, dem wir Fließband und Nachtschicht verdanken, sah ihn als „vollkommen überflüssig“ an. Früher prahlten die Feldherrn, mit wie wenig Schlaf sie auskommen, heute die Politiker.

Freilich: Gut soll er sein, der Schlaf, schön intensiv, aber nicht zu lang. Vor allem gebieten die herrschenden Sitten, dass wir früh aufstehen. Sonst sind wir faul, ob als Wiener oder als arbeitslose Mindestsicherungsbezieher. Das insinuiert nicht nur Kanzler Kurz, in diese Kerbe schlagen auch die Reaktionen auf seinen Sager.

Loblied auf drei Liegenbleiber

Dabei kann zu zeitiges Aufstehen das Leben kosten. Christina von Schweden, ein wissbegieriger Morgenmensch, holte sich René Descartes an den Hof und zwang den Philosophen, der gern bis Mittag schlief, zu Lektionen um fünf Uhr früh. Viel lernte die junge Königin nicht: Schon nach wenigen Wochen erlag der erschöpfte Meisterdenker einer Lungenentzündung. Ohne zehn Stunden Schlaf konnte Goethe nicht dichten. Hätte man Einstein seine zwölf Stunden Nachtruhe nicht gegönnt, müssten wir heute wohl ohne Relativitätstheorie auskommen. Niemand kann sagen, die drei Herrn wären nicht produktiv gewesen. Sie gehörten eben zu den rund zehn Prozent Langschläfern. Jeder Mensch braucht sein individuelles Pensum an Erholung. Weder Moral noch Medizin können daran rütteln. Womit die Sache rein wissenschaftlich entschieden wäre. Dennoch hat der Schlaf einen schweren Stand. Woher kommt das?

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