Von der Pax Romana bis zur „Kleinen Eiszeit“ zeigt sich: Den Europäern ging es in warmen Phasen besser als in kalten. Ist das ein Punkt für Klimaskeptiker, die Entwarnung geben wollen? Sie haben dabei so manches übersehen.
Mit einem dissonanten Akkord hebt das letzte der Violinkonzerte an, in denen Vivaldi „Die vier Jahreszeiten“ zum Klingen bringt. Wir merken sogleich: Es ist Winter. Die Kälte klirrt, die Menschen zittern. Im Schlusssatz tapsen Fußgänger über gefrorenes Wasser, stolpern, fallen hin. Nur ein Eisläufer zieht virtuos seine Kreise, bis das Eis einbricht. Im vorangestellten Sonett, einem gedichteten Programmheft, lokalisierte der Komponist seine Szenerie von 1725: in Venedig, seiner Heimatstadt. Schlittschuhlaufen in der Lagune?
Ja, damals war das möglich, wie auch auf der Themse in London und in den Grachten Amsterdams. Tausende von Landschaftsbildern zeigen das winterliche Holland tief verschneit. In Europa herrschte noch die „Kleine Eiszeit“. Als einer der Ersten diagnostizierte sie, Ende des 16. Jahrhunderts, der Ornithologe Marcus zum Lamm, der sah, wie sich das Verhalten der Vögel änderte. Dieser Vorläufer unserer Klima-Auguren empfahl seinem Pfalzgrafen in Heidelberg, fürs Volk Nahrung auf Lager zu legen. Kein schlechter Rat: In den folgenden Jahrzehnten häuften sich harte und lange Winter, die kaum eine Aussaat zuließen, und nasskalte Sommer, in denen das Korn verfaulte. Es kam zu Hungersnöten. Klimaflüchtlinge schleppten Krankheiten ein, Seuchen breiteten sich aus.
Im wohlig warmen Mittelalter
Auch der Wein blieb sauer. Die Weltuntergangsstimmung nährte religiösen Wahn. In harmloser Form in Chamonix, wo ein Bischof die vorrückenden Gletscher per Exorzismus zu stoppen versuchte. Weit öfter suchte man menschliche Sündenböcke: Überall in Europa brannten „Hexen“ auf den Scheiterhaufen. Die sozialen Spannungen entluden sich im Dreißigjährigen Krieg, der ganze Landstriche entvölkerte.