Streit um das Gedicht auf der Freiheitsstatue

Ein US-Politiker deutet die „Müden“ und „Armen“ um.

„Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren, die bemitleidenswerten Abgelehnten eurer gedrängten Küsten“ – so heißt es im Sonett „The New Colossus“, das seit 1903 auf dem Podest der Freiheitsstatue zu lesen ist. Es stammt von der jüdischen Dichterin Emma Lazarus und war ursprünglich als Beitrag zu einer Geldsammelaktion für den Bau des Podests gedacht. Erst dieses Gedicht habe aus der Statue, die eigentlich als Symbol des Republikanismus gedacht war, eine „Willkommensmutter“ und ein Symbol der Hoffnung gemacht, schrieb einmal der Autor Paul Auster.

Der Leiter der US-Einwanderungs- und Ausländerbehörde, Ken Cuccinelli, hat diese Zeilen nun in einem Interview mit dem Radiosender NPR (National Public Radio) sozusagen umgedichtet. Auf die Frage der Radio-Moderatorin, ob die Worte auf der Freiheitsstatue in seinen Augen Teil des amerikanischen Ethos seien, erklärte Cuccinelli: „Das sind sie sicherlich. Gebt mir eure Müden und eure Armen, die auf ihren eigenen Füßen stehen können und nicht zu einer Belastung für die Öffentlichkeit werden.“

Nach Kritik verteidigte Cuccinelli seine Äußerung wenig später gegenüber der CNN-Journalistin Erin Burnett mit den Worten: „Natürlich, das Gedicht hat sich auf Menschen, die aus Europa kamen, bezogen.“ Diese Menschen seien vor der dort herrschenden Klassengesellschaft geflohen. (sim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2019)

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