Peter Kern stellt am Dienstag „Glaube, Liebe, Tod“ vor und stimmt mit einer Goldenen Extrawurst auf die Viennale ein. Im Kino laufen indessen die Dokumentationen „Richtung Nowa Huta“ und „Nr. 7“.
Charmante Idee: Wenn der Kulturbetrieb-Querdenker Peter Kern heute, Dienstag, ab 19 Uhr seinen Film „Glaube, Liebe, Tod“ im Wiener Gartenbaukino vorstellt, deklariert er das als „Polterabend für die Viennale“. Am Donnerstag beginnt dort Wiens Filmfest, auf dem eine Handvoll österreichischer Filme vorgestellt wird, darunter Antonin Svobodas Filmbiografie „The Strange Case of Wilhelm Reich“ (mit Klaus Maria Brandauer als umstrittenem Psychoanalytiker und Sozialforscher), Florian Flickers freie „Weibsteufel“-Variation „Grenzgänger“ und Peter Kerns noch neuerer Film „Diamantenfieber“, eine glückliche Gaunergeschichte.
Weil aber sein Berlinale-Beitrag „Glaube, Liebe, Tod“ – eine Art Welttragödie als Kammerspiel auf dem Hausboot – nicht bei der Viennale läuft, hat sich Kern zum privaten Premieren-Event anderer Art entschlossen: Mit Gospelchor und der „erstmaligen Verleihung des Goldenen Kranzes Extrawurst“ an Viennale-Direktor Hans Hurch. Man darf gespannt sein. Oder erheitert.
Im regulären Kinobetrieb laufen indessen noch zwei österreichische Dokumentarfilme, die bei dem diesjährigen Austro-Filmfest Diagonale für Aufsehen gesorgt haben: Dariusz Kowalskis „Richtung Nowa Huta“ wurde dort auch mit dem Preis für die beste Dokumentation ausgezeichnet. Der 1971 in Krakau geborene Kowalski kehrte dafür in die sozialistische Modellstadt zurück, in der er aufwuchs. Er setzt auf starke Tableaus: Figuren in der Landschaft, das Zusammenspiel von privatem und öffentlichem Raum.
Solidarność-Allee und koschere Fleischerei
Ein historisches Mosaik, erstellt um die Erinnerungen von Interviewpartnern: ein alter Gewerkschafter packt Fotos der Solidarność-Zeit aus, die Bewegung war stark in Nowa Huta. Lech Walesa kommt ins Bild, man erzählt von den Leistungen „unseres“ Papstes Karol Wojtyla als Erzbischof der Stadt.
Mit einem jungen Fremdenführer (von „Crazy Guides“) kurvt das Team durch die Stadt, seine heiteren Monologe verbinden Historie und Stadtbild: Auf der Lenin-Allee, den „Champs-?lysées von Nowa Huta“, demonstrierte man in den 80ern, nach der Wende wurde sie zur Solidarność-Allee. Ungezwungen entwirft Kowalski ein Zeitbild aus dem Alltäglichen, verstärkt durch den Einsatz bemerkenswerter Archivaufnahmen.
Noch ein Dokumentarfilm findet im Privaten Spuren der größeren Geschichte. Für „Nr. 7“ machte Regisseur Michael Schindegger nochmal die Runde durch das Mietshaus in der Leopoldstadt, in dem er 30 Jahre wohnte. Mit seiner Hochzeit steht der Auszug aus der väterlichen Wohnung bevor. Die Nachbarn kannte Schindegger kaum, auf Besuchsrunde findet er ein multikulturelles Erbe. Mit einem Ukrainer bringt er sich gegenseitig Vokabeln bei, mit den Hausbesitzern, die eine koschere Fleischerei betreiben, debattiert er religiöse Riten. Schindeggers Szenen mit seiner Freundin kokettieren mit dem freundlichen Ego-Entblätterungs-Charme der Dokumentation „Mein halbes Leben“, gebrochen wird es durch Begegnungen in Grätzelgemütlichkeit, die andere Ideen zu Heim(at) und Familie einbringen. Starke Bilder wie bei Kowalski gibt es nicht: Das Alltägliche bleibt hier unspektakulär.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2012)