Im Kino: Ein Jedermann kleiner Niederlagen

(c) Concord
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Steve Carell und Juliette Binoche gefallen in der angenehm unaufgeregten, sonst recht konventionell gestrickten romantischen Komödie „Dan – Mitten im Leben!“.

Etwas Lustiges sucht die Frau in der Buchhandlung. Nicht zu lustig und nicht die Art von lustig, die sich über andere lustig macht. Sondern menschlich lustig, „human funny“. Diese anfängliche Szene der romantischen Komödie Dan – Mitten im Leben!ist einerseits Schlüsselmoment der Handlung: Der sie eilfertig beratende Mann, den die Frau irrigerweise für einen Angestellten hält, wird sich prompt in sie verlieben. Andererseits wird das Selbstverständnis des Films auf den Punkt gebracht: ein wenig menschlich, ein wenig lustig. Mehr will Regisseur und Koautor Peter Hedges gar nicht mit seiner Romantic Comedy, die zielgruppengerecht für milde, gehobene Hollywood-Unterhaltung Begehrende konzipiert ist.

Die ist prinzipiell konventionell gestrickt; dass ihr Konzept großteils aufgeht, verdankt sich einem gewissen, gar nicht (mehr) selbstverständlichen Feingefühl in der humoristischen Anlage und zwei hervorragenden Hauptdarstellern – genauer: Zwei Darstellern, die hervorragend darin sind, nah am Klischee konstruierten Figuren Charme und Charisma zu geben.

Die Frau aus der Buchhandlung, Marie, spielt Juliette Binoche und belegt, dass sie in Hollywoods Komödienfach Ingrid Bergman beerben könnte: Als des Englischen problemlos mächtiger Export aus Europas Kunstkino bringt sie eine gewisse Ernsthaftigkeit, ohne an Süße oder Schönheit einzubüßen. Dass ihre Figur außer des – von allen anderen Figuren beständig bestätigten – einnehmenden Naturells kaum Eigenschaften hat, mag kaum auffallen, so brillant ist Binoche dabei, wohlwollend wie bedauernd auf Verehrer zu blicken.

Derer gibt es zwei, das ist die frühe Pointe des Films, die dann angenehm unaufgeregte, freundliche bis melancholische Verwicklungen zeitigt: Zum einen ist da Dan (Steve Carell), sich um drei (fürwitzige, vorlaute bzw. widerborstige) Töchter sorgender, trauernder Witwer und Verfasser jener Lebenshilfekolumne, die den Originaltitel liefert: Dan in Real Life. Die Zufallsbegegnung im Buchgeschäft lässt Dan erst wieder aufblühen, doch aufs Glück frischer Verliebtheit folgt ein jäher Hieb: Eben hat er beim Treffen der sonst (weltweit einzigen) offenbar jeglichem Zank abholden Großfamilie von der schönen Unbekannten erzählt, da schneit die neue Freundin seines Bruders herein – Marie!

Komische Pein statt Slapstick

Im (nicht nur räumlich) erstaunlich luxuriösen Strandhaus von Dans Familie steuert sanftes Konfliktpotenzial fortan die Bewegung von Figuren wie Handlung: Anstandsregeln (und Umstehende) verbieten, dass sich Marie und Dan ihre wachsende Zuneigung gestehen, doch führt das nur selten zu Slapstick oder großem Gewitzel, öfter zu komischer Pein und kleinen Peinlichkeiten. Trotz konstruierter Situation(en) rechtfertigt das, samt ganz glaubwürdigem Benehmen, den Originaltitelanspruch aufs „wirkliche Leben“ wirklich. Ein wenig jedenfalls.

Und für Pein und Peinlichkeiten ist Steve Carell Spezialist: Wo andere wesentliche US-Komödianten wie Weggefährte Will Ferrell auf Verdrängtes mit wilder Gestik und knalligen Gags reagieren, ist Carell ein (Jeder-)Mann der kleinen Niederlagen: Sein Scheitern sorgt regelmäßig für Exerzitien der Hilflosigkeit und neurotische Introspektion. Den ganz großen Kinoerfolg hatte er logischerweise vor ein paar Jahren als sexuell Erfolgloser: eine 40-jährige Jungfrau.

Dass Carell als Dan nicht so erfolglos enden wird, ist absehbar, die Lebenshilfe dazu hätte es auch nicht gebraucht: Wie Carells genialste Rolle (in der US-TV-Serie „The Office“) belegt, ist er am besten, wenn er garantiert nichts lernt. Bis dahin gibt es aber schöne Momente kleiner Verzweiflung: Unselige und unzählige Manöver gescheiterten Näherkommens enden mit Dan allein im Flur vor verschlossener Tür. Wie Carell dann uneitel zwischen Unglück und unermüdlicher Hoffnung verharrt, das ist die Quintessenz des Films.

ZUR PERSON

Steve Carell (*1962, Concord, Massachusetts) war Postbote, bevor er sich 1991 der Chicagoer Improvisations-Comedy-Truppe „The Second City“ anschloss.

Als TV-Komödiant wurde er in den 90ern bekannt, seit 2006 ist er auch Star der US-Erfolgsserie „The Office“; daneben schaffte er den Durchbruch im Kino u.a. mit „The 40 Year Old Virgin“ (2005), „Little Miss Sunshine“ (2006).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2008)

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