"Tatort": Adele Neuhauser in einer „heftigen Geschichte“

Tatort
Tatort(c) ORF (Hubert Mican)
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Die Krimi-Reihe startet mit einem Österreich-Beitrag in die neue Saison. In „Paradies“ geht es um Altersarmut und die zerstörerische Wirkung von Crystal Meth. Adele Neuhauser ermittelt als Bibi Fellner.

Der Schrecken kommt diesmal auf leisen Sohlen. In Form von netten Pensionisten, die von ihren Ausflügen nach Ungarn immer ein paar Sackerl Medikamente mitnehmen. Was ist schon dabei? Doch als Bibi Fellner ans Sterbebett ihres Vaters eilt, muss sie erkennen, dass er und die alten Herrschaften im Altersheim in weit mehr verstrickt sind als in geheimen Schmuggel von Viagra... „Man denkt erst, das ist ein stiller, ein langsamer Tatort – aber das ist er nicht“, sagt Adele Neuhauser im Gespräch mit der „Presse“. Als Majorin Fellner gerät sie nach dem Tod des Vaters zufällig auf die Spur einer Schmugglerbande, die aus Rentnern besteht. Deren Ziel: Sie brauchen Geld und wollen weg aus dem Heim, wo sie vom drogensüchtigen Altenpfleger Robert (ein gelungenes „Tatort“-Debüt für Michael Ostrowski) drangsaliert werden.

„Man denkt, da sind ein paar Rentner auf einen Clou gekommen, und findet das irgendwie nett. Aber anhand der Figur des Robert wird die zerstörerische Dimension dieser Droge so klar, und die Geschichte kriegt eine tragische Dimension.“ Bibi Fellners Vater und die anderen glauben, sie schmuggeln Viagra und ähnlich hilfreiche Substanzen – nach dem Motto: „An einer Überdosis Kukident is no keiner g'storben.“ Drehbuchautor Uli Brée schafft es, dem Drama mit humoristischen Pointen die Spitzen zu nehmen.

Doch je weiter sich die Story entwickelt, desto tiefer blickt man in den Abgrund. Neben Altersarmut und Drogensucht ist auch die Selbstzerfleischung einer von Gefühlskälte und Neid zerfressenen Fabrikanten-Dynastie Thema: Paul Ransmayr (Peter Weck) wird von seiner Tochter und Erbin (Petra Morzé) mittellos ins Altersheim abgeschoben. Enkel Daniel (Laurence Rupp) hat sich die Sache mit dem Drogenschmuggel ausgedacht. Als er den Opa fallen lässt und damit dessen Traum vom Verreisen zerplatzt, dreht der Senior durch und vollstreckt den Satz „Jeder kriegt, was er verdient“ mit erschreckender Konsequenz.

Peter Weck hört Wagner und bügelt

„Ich wurde, bevor ich den Film fertig auf der Kinoleinwand gesehen habe, gefragt, ob man Mitleid mit dem Alten hat. Ich sagte nein“, erzählt Neuhauser. „Aber am Ende hatte ich es doch. Ich bin tief betroffen.“ Peter Weck gibt dem alten Ransmayr eine vielschichtige Dimension – auf den ersten Blick wirkt er wie ein netter Sir, der Wagner hört und Hemden bügelt. Er ist Teil einer „grandiosen Besetzung“, streut Neuhauser Rosen.

Vor Weck habe sie einst für „Gigi“ vorgesungen, „als junges Mädchen, mit zwölf oder so – es war rührend“. Doch erst jetzt habe sie erstmals mit ihm gearbeitet. „Es ist wirklich faszinierend, mit wieviel Kraft und Leidenschaft er an die Sache herangeht.“ Regisseur Harald Sicheritz und Kameramann Thomas Kiennast setzen Weck und die anderen Alten (Branko Samarovski, Peter Fröhlich, Gertrud Roll) mit viel Gefühl für das richtige Tempo (nicht zu schnell), das nicht verebbende Temperament (die wissen, was sie wollen), aber auch deren Verletzlichkeit in Szene.

Und wie gefällt Neuhauser ihre Rolle? „Ich liebe Bibi!“ Ulli Brée habe sie ihr auf den Leib geschrieben. „Das heißt nicht, dass wir so viele Parallelen hätten, aber sie ist mir mit ihrer Energie, Leidenschaft und Ambivalenz sehr ans Herz gewachsen.“ Neuhauser ist es wichtig, heikle gesellschaftliche Themen anzusprechen: „Ich glaube, dass man etwas verändern kann. Es ist anders, als würde man davon in der Zeitung lesen, wenn einen ein Film emotional erwischt. Das kann Anstöße geben“, ist sie überzeugt.

An Bibi liebt sie nicht nur die Courage, auch dass sie nicht perfekt ist: „Ich war traurig, dass sich ihr Alkoholproblem so schnell verflüchtigt hat.“ Im Film sagt Bibi: „Manchmal frag ich mich, ob das Leben nüchtern wirklich leichter zu ertragen ist als b'soffen.“ Das macht sie glaubwürdig. „Diese Figur ist so reich und wahr. Das ist eine Frau, wie es sie wirklich gibt. Man will nicht nur das verletzliche, schöne, abhängige Wesen sein, sondern man ist auch voller Kraft und Wut, man ist ungerecht und hat seine eigene Haltung – auch wenn die nicht immer korrekt ist.“

DREI NEUE „TATORT“-TEAMS

Zum Auftakt der „Tatort“-Saison 2014/15 läuft diesen Sonntag der Austro-Tatort „Paradies“ (31.8., 20.15Uhr, ORF2). Drei neue „Tatort“-Teams starten: In Berlin ist Dominic Raacke ausgestiegen. Boris Aljinovic ermittelt noch einmal solo als Felix Stark. Dann legen Mark Waschke und Meret Becker als ost-west-deutsches Ermittler-Duo Robert Karow und Nina Rubin im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg los.

Aus Frankfurt kommt noch ein Fall des auch nur mehr allein ermittelnden Joachim Krol. Im Frühjahr treten hier Margarita Broich und Wolfram Koch an.

Mit Franken kommt in der ersten Hälfte 2015 eine neue „Tatort“-Region hinzu: Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel ermitteln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

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