Nette Gauner und rotes Geld: Das Wunder von Ottakring

V.l.n.r.: Regisseur Michi Riebl, Cornelia Gröschel, Sebastian Wendelin, Michael Steinocher
V.l.n.r.: Regisseur Michi Riebl, Cornelia Gröschel, Sebastian Wendelin, Michael SteinocherPaul Ploberger
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Von Kleinganoven und Kredithaien: Regisseur Michi Riebl produziert eine sozialromantische Gaunerkomödie mit einem Schuss Wirtschaftskritik.

In Ottakring ist der letzte Pate des Viertels gestorben, und jetzt muss Sammy, eigentlich nur Kleinkrimineller von Beruf, seinen letzten Willen erfüllen. So ist zu erklären, dass Schauspieler Michael Steinocher an einem sonnigen Herbsttag im Ruderleiberl auf dem Yppenplatz steht und den Standler vor sich mit einer Gurke bedroht.

„Es sei“, sagt Regisseur Michi Riebl, sei „eine sozialromantische Gaunerkomödie“, die er da drehe. Nachsatz: „Das Gefährlichste, was man im Leben drehen kann, sind Genremixe.“ Genau das hat sich der „Schnell ermittelt“-Regisseur nun also für sein Kinodebüt ausgesucht, für das er bis vor wenigen Tagen mit seinem Filmtross durch Ottakring gezogen ist. Wobei, eher habe „Planet Ottakring“ ihn gefunden, sagt er. „Als ich das Drehbuch von Mike Majzen gelesen habe, hat es mich ein bissl gebeutelt, weil es für mich fast autobiografisch ist. Weil ich selbst im Sechzehnten aufgewachsen bin und der Sammy ein bisschen was von meinem Jugend-Ich hat.“

Was das sei? „Das Goschert-Sein.“ Und das Aufwachsen in verschiedenen Milieus, „ich war das Mittelschulkind unter den Lehrlingsbuben“, und der Sammy im Film hat sogar ein bissl studiert, „kriegt aber kein Bein vor das andere“. Zumindest, bis ihn eine blonde deutsche Wirtschaftsstudentin bei der Hand nimmt. Da hat Sammy schon herausgefunden, wen aller die Schulden drücken. Worauf das Duo auf die Idee verfällt, aus alten Schillingnoten rote „Kommunistenhunderter“ zu drucken, und die Ottakringer Version des „Wunders von Wörgl“ nimmt ihren Lauf; wobei, nicht nur das Tiroler Notgeld aus den Dreißigerjahren habe eine Vorlage geliefert. „Erst letzten Herbst haben ja die Sarden, erdrückt von den Bankzinsen, den Sardex erfunden“, verweist Riebl auf jüngere Währungsexperimente. Die Wirtschaftskrise sei für ihn der eine Anstoß gewesen, bestätigt der Kärntner Drehbuchautor Mike Majzen, der ebenfalls einmal in Ottakring gewohnt hat, und der mit Riebl hier auch die Serie „Cop Stories“ dreht. „Ich hab mir gedacht, irgendetwas sollte man darüber machen, wie Geld funktioniert und warum die Leute immer von vornherein glauben, dass es gottgegeben ist.“

Zweiter Input war ein jamaikanischer Gangster respektive Musikproduzent aus seiner Zeit in London. „Der hatte einen Shop, da bin ich immer gesessen, Eltern haben ihre Kinder zum Vortanzen vorbeigebracht. Dann ist mir aufgefallen, dass den ganzen Tag Leute ans Fenster klopfen. Die Gemüsefrau, der Mann, der die Anzüge macht. Irgendwann hab ich kapiert, dass der Typ hier in Notting Hill der Checker ist.“ Und der Yppenplatz, der sei ziemlich genau die Wiener Version dieses Orts. Optisch – und, ja, kriminelle Strukturen gibt es auch. „Für die ,Cop Stories‘ war ich tagelang mit den Polizisten hier auf der Straße, sie haben mir die Strukturen erklärt. Und ich bin ja selber auch in der Nacht unterwegs . . .“

Recherche „auf der Thalia“

Vor „Planet Ottakring“ hat sich Majzen eine Zahnbürste gekauft und sich in einer Pension bei der Ottakringer Straße eingemietet. „Ich hab mich nur herumgetrieben und wollte ein Gefühl dafür kriegen, wie es hier ist. Und ich bin draufgekommen, dass es schon sehr anders ist, als die Leute glauben.“ Das beginne beim Wort Migrationsproblem. „Die Leute sehen das nicht, für die ist das Leben normal. Das Zweite ist: Irgendwann fängt jeder an, sich als Wiener zu fühlen, und wenn jemand was dagegen sagt, pudelt er sich auf. Wenn du auf der Thalia sitzt, fällt dir auf: Da hängen die Türkenjungs mit den Jugojungs herum. Wien ist wie New York längst ein Meltingpot, anders als viele Städte, wo eine Seite nichts mit der anderen zu tun hat. Wir müssen nur anfangen, unseren eigenen Weg zu suchen.“

AUF EINEN BLICK

„Planet Ottakring“ist eine Komödie von Regisseur Michi Riebl („Schnell ermittelt“), die gerade entsteht und die 2015 ins Kino kommen soll. Das Drehbuch stammt von Mike Majzen („Cop Stories“), der sich irische und englische Komödien als Vorbild genommen hat. Michael Steinocher („In drei Tagen bist du tot“) spielt den kleinkriminellen Cafébetreiber Sammy, der nach dem Tod des alten Paten von Ottakring Schutzgelder einheben und für Ordnung sorgen muss. Er trifft auf Cornelia Gröschel, die als BWL-Studentin Valerie ihre Bankentheorie in der Praxis testen will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2014)

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