Arash Riahi: Heimatfilm neu

Arash Riahi
Arash Riahi(c) Die Presse (Julia Stix)
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Sein Debüt "Ein Augenblick Freiheit" wurde mit zwölf internationalen Festivalpreisen ausgezeichnet. ­Regisseur Arash Riahi im Interview über das Niemandsland Flucht.

TIPP

Bereits im Vorjahr thematisierte Arash Riahi seine Flucht aus dem Iran im Dokumentarfilm „Exile Family Movie“ erfolgreich. Mit „Ein Augenblick Freiheit“ traut er sich nun auf das Spielfilmterrain – und wird dafür von Kritik und Publikum entlohnt. Etwa mit bisher zwölf Festivalpreisen aus Südamerika, Frankreich, der Schweiz und Kanada.

Mit 3,5 Millionen Euro ist „Ein Augenblick Freiheit“ eines der teuersten österreichischen Spielfilmdebüts. Wie hoch war da der Druck?

Der war immens. Aber ich war gut vorbereitet. Ich habe sieben Jahre an dem Buch geschrieben, mich fortgebildet. Ich hatte ein erfahrenes Team. Ein Erstlingsfilmer hat nur sein Drehbuch, der hat keine Referenz. Und ich hatte eben dieses Buch, das mir Respekt eingebracht hat, das den Leuten gefallen hat – das hat mir den Weg geebnet.

„Ein Augenblick Freiheit“ handelt von drei Menschenpaaren, die aus dem Iran flüchten. Wie ist die Geschichte entstanden?

Ich bin selber geflohen. Ich war neun Jahre alt, kann mich ganz genau erinnern, wie das war. Ich habe also Erfahrungen und Erinnerungen, die mir geholfen haben, die Geschichte authentisch werden zu lassen. Es war mir aber wichtig, einen aktuellen Film zu machen. Mittlerweile können Iraner einfach mit einem Touristenvisum in die Türkei reisen – nur jene, die auf der schwarzen Lis­te stehen, haben Ausreiseverbot. Ich war sechs- oder siebenmal in der Türkei, bin zur Grenze gefahren, hab mit Flüchtlingen vor Ort gesprochen, hab herausgefunden, was sich verändert hat, und die Geschichten, die ich im Laufe der Jahre gesammelt habe, so aktualisiert. Ich wollte exemplarische Geschichten zeigen.

Geschichten aus dem Niemandsland.

Ich habe bewusst ausgespart, was die Figuren im Iran erlebt haben und wie es ihnen nach der Flucht ergangen ist. Es gibt auch nur zwei Szenen in Österreich. Ich wollte ­einfach zeigen, was die Leute in dieser Zwischenphase durchmachen. Meine Strategie war, den Menschen einen berührenden Film über diese Schicksale zu zeigen, um mehr Verständnis zu erzeugen. Es ist nicht wichtig, ob der jetzt dort Taxifahrer war oder politisch aktiv. Es geht um das Menschenrecht, seinen Träumen nachgehen zu können und zu dürfen. Auch wenn sich viele davon auflösen.

Um welche Figuren geht es also?

Es gibt im Film einen wirklich politischen Menschen. Dann ein Ehepaar – die Frau ist nicht politisch, der Mann schon. Auch ein ganz typisches Beispiel. Es kommt oft vor, dass jemand aus Liebe zum Partner auf die Flucht mitkommt. Oft ist es so, dass die Frauen diejenigen waren, die sich in der Gesellschaft im Iran nicht entwickeln konnten. Dann sind sie mit ihren Männern hierhergekommen, haben begonnen, sich zu emanzipieren und zu entfalten, und sind ihren Männern in ihrer Entwicklung davongeschwebt. Die Männer sind stehen geblieben, haben gelitten und sind depressiv geworden. Daran sind ganz viele Ehen zerbrochen. Und dann gibt es eben noch das Paar der jugendlichen Kinder, die gar nicht verstehen können, was ihnen da grad passiert.

In „Ein Augenblick Freiheit“ zeigen Sie also persönliche Schicksale, prangern das politische System im Iran aber nicht direkt an.

Es geht mir prinzipiell darum, Menschen zu zeigen, die aus Diktaturen flüchten müssen. Ich mach aber keine tagespolitischen Aussagen. Es geht vielmehr um das grundlegende Recht auf Freiheit.

Und dafür eignet sich die Form des Spielfilms besser als die der Doku?

Zu Beginn des Films steht, dass die Geschichte auf wahren Begebenheiten basiert. Ich denke, das macht den Film glaubwürdiger, echter, und das ist beim Spielfilm schon ein Faktor. Sicher ist der Spielfilm immer Fake. Man versucht, die Leute eben auf einer anderen Ebene zu einer Form von Wahrheit zu bringen – und davon zu überzeugen. Man sagt ja auch, dass man manchmal lügen muss, um die Wahrheit zu erzählen.

Sie haben alleine 18 Monate lang Schauspieler gecas­tet. Was war denn so schwierig?

Das lag zunächst an den Ansprüchen. Wir brauchten Schauspieler, die akzentfrei Persisch sprechen und in einem regimekritischen Film mitspielen wollen. Besonders schwierig war das bei den Kindern, weil die ja meis­tens schon im Exil geboren wurden. Ich bin zu allen Cas­tings mitgefahren und hab gemerkt, dass der Film zu einer Herzenssache der Leute geworden ist. Die warten schon seit 20 Jahren darauf, dass dieser Film gemacht wird. In den letzten Jahren sind eine Million Iraner geflohen, und jetzt möchten sie, dass diese Geschichte erzählt wird.

Was kommt nach „Ein Augenblick Freiheit“?

Ich hab einige Ideen. Als Nächstes möchte ich eine Doku über ein Frauenhaus machen. Dort hab ich vor acht Jahren Zivildienst gemacht, jetzt will ich die Frauen suchen und schauen, was aus ihnen geworden ist.

Also wieder ein gesellschaftskritisches Thema.

Wenn ich die Möglichkeit habe, also das Geld und das Vertrauen geschenkt bekomme, etwas zu machen, dann ist das ein großes Privileg. Also möchte ich Dinge tun, die Sinn haben. Es ist mir ein Anliegen, schwierige Themen auf eine zugängliche Art und Weise zu zeigen. Ich bin gegen Verdummung, habe aber kein Problem mit intelligenter Unterhaltung. Ich möchte Hoffnung machen, das Auf und Ab des Lebens zeigen, den Leuten auch Mut machen.

Am 9. Jänner feiert „Ein Augenblick Freiheit“ Premiere (Gartenbaukino).

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